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Zeit nothwendig, daß Kleinkinderschulen, Kinderbewahr-, Kinderwart- und Krippenanstalten die Pflichten der Eltern übernehmen. Diese Anstalten sind nothwendig geworden, und man darf sie in Anbetracht der Nothwendigkeit und des Segens, den sie stiften und stiften können, nicht einmal mehr nothwendige Uebel nennen. Sie sind unverdiente Gnaden und Wohlthaten für eine böse Zeit, in welcher immer mehr das Familienleben erstirbt, und das ganze Leben sich verkehrt.


IV.

 Die Kleinkinderschule ist wie gesagt eine Schule, aber sie befaßt sich nur mit Kindern, welche zur öffentlichen deutschen Schule noch nicht reif sind, und vertritt in allen ihren Leistungen die Eltern, insonderheit die Mutter.[1] Daraus ergibt sich ihre Aufgabe und deren Gränzen. Sie lehrt, aber sie lehrt nicht wie die deutsche Schule, und vielfach auch nicht was die deutsche Schule, sie lehrt, was und wie die Mutter ein noch nicht schulpflichtiges Kind lehren kann und soll. – Das, was sie lehrt, und das Maß der Lehre ist also den Müttern abzulernen. Eine Mutter lehrt die noch nicht schulpflichtigen Kinder nicht halbe Tage lang, oder auch nur Stunden lang. Das Lehren ist überhaupt für das noch nicht schulpflichtige Kind das noch seltenere Erziehungsmittel. Da nun die Kleinkinderschule die Kinder für den größeren Theil des Tages aufnimmt, so kann auch sie nicht die ganze Schulzeit auf Lehren verwenden: was die Mutter nicht thut, und nicht thun kann, kann und thut auch die Kleinkinderschule nicht. Sie muß also bei der Mutter weiter fragen, was die außer dem Lehren vornimmt. Die Antwort wird sein: eine Mutter beschäftigt ihr Kind mit passendem Spiel und angemessener Arbeit; eine Mutter gewöhnt ihr Kind nach Leib und Seele zu allem was sich schickt und was nöthig ist; eine Mutter


  1. Pestalozzi’s „wie Gertrud ihre Kinder lehrt,“ und Buch der Mütter. Fr. Köhler’s Mutterschule. Berlin, bei G. Reimer 1840. Schmid a. a. O. III. p. 37 f.
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Wilhelm Löhe: Von Kleinkinderschulen. Gottfried Löhe, Nürnberg 1868, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Von_Kleinkinderschulen.pdf/9&oldid=- (Version vom 8.8.2016)