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und ohne Aufenthalt von sich thut. Die Reinlichkeit ist also eigentlich kein Zustand, sondern ein unablässiger Fleiß, einen Zustand der Reinheit herzustellen und zu erhalten, der auf der Stelle verloren geht, sowie der Fleiß nachläßt. Es muß daher dem Menschen von Jugend auf eingeprägt werden, daß unter die unablässigen und unaufhörlichen Geschäfte des Lebens von der Jugend bis zum Grabe die Bemühung gehört, den eigenen Leib rein zu erhalten. Zu dem hier geforderten Fleiß muß aber der Mensch von Jugend auf gewöhnt werden, und durch treue Gewöhnung eine unertödliche Gewohnheit herzustellen, das ist es, was von einer Lehrerin in der Kleinkinderschule gefordert werden muß.

 Man könnte die Frage aufwerfen, ob man es nicht auch in der Reinlichkeit zu weit treiben könne, und ganz vergeblich und unnütz ist diese Frage nicht.

 Es könnte aus der Gewöhnung auch hier anstatt einer edeln Gewohnheit eine Verwöhnung entstehen, so daß es am Ende der armen Seele unerträglich würde, auch nur vorübergehenden Staub des Lebens am Leibe zu wissen. Da könnte es kommen, daß Jemand vor lauter Reinlichkeit keinen Schmutz entfernen möchte, und der auf diesen Weg sich erzeugende Ekel vor allem Staub und Schmutz könnte dahin wirken, daß man allen Staub und Schmutz liegen ließe, zunehmen und wachsen, bis man endlich vor lauter Reinlichkeit im Schmutz erstickte. Wenn aber auch die Liebe zur Reinlichkeit nicht so geradehin zum Gegentheil führt, so könnte sie doch auf eine andere Seite hin zu einer Lebensplage werden. Es kann sich das Auge so sehr zur Beachtung jedes Stäubleins schärfen, die Hand so sehr gewöhnen, jedes Stäubchen zu entfernen, daß reinigen aufhört, eines von den vielen Geschäften des Lebens zu sein und alle Kraft und Zeit verzehrt. Der Mensch muß wissen, daß auch in diesem Stücke auf Erden nur Stückwerk zu erreichen ist. Das rechte Maß muß auch hier gefunden werden; es gehört zu unsern täglichen Demüthigungen, die wir mit Dank hinnehmen und zur wirklichen Demuth benützen sollen, bei allem Fleiß der Reinigung doch immer nicht alles so reinlich herstellen zu können, als es wohl wünschenswerth wäre. Wir in unsern

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Wilhelm Löhe: Von Kleinkinderschulen. Gottfried Löhe, Nürnberg 1868, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Von_Kleinkinderschulen.pdf/13&oldid=- (Version vom 8.8.2016)