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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

 Wo nun der Glaube so auftritt und leuchtet, da, meine Freunde, fehlt ihm auch nicht ein Auge voll Wohlgefallens von dem hochgelobten König aller Gläubigen. Seine Augen sehen nach dem Glauben und suchen gläubige Seelen, gleichwie die Sonne sonnenhafte Augen sucht. Was nicht sieht, wandelt in Finsternis, und was nicht glaubt, wird des Wohlgefallens Gottes nicht gewahr, erfährt es auch nicht, sondern bleibt im Tode eines fleischlichen, finstern Sündenlebens. Wohl dem Gläubigen, den Jesu Auge findet, Jesu Mund lobt, wie Er den Glauben des Hauptmanns lobte und pries. Ein solcher wird die Herrlichkeit Gottes schauen. Gott hat solchen Glauben geschaffen, darum nennt Er ihn wie alle Seine Werke „sehr gut“, darum führt Er ihn von Licht zu Licht und verklärt ihn im Schauen. − Zu diesem hochgerühmten, bei Gott beliebten Glauben und allen seinen seligen Folgen beruft der HErr den aussätzigen Juden und den heidnischen Hauptmann. Juden und Heiden, alle Menschen sollen durch ihn vereinigt werden zu einer gottwohlgefälligen Kirche, und durch ihn sollen sie zu den Tischen des ewigen Hochzeitmahles versammelt werden. Der HErr eröffnet uns ja einen Blick in die Ewigkeit. Die Tische stehen, Abraham, Isaak und Jakob, die Väter der Gläubigen, sitzen seliglich an ihnen, und zu ihnen sammelt sichs von allen Nationen, von Aufgang und von Niedergang, von Mittag und Mitternacht. Nicht die leibliche Abstammung von Abraham sammelt zu Abrahams Volk und ewiger Gemeinschaft: der Ruhm ist aus und wehe, wer dem vertraute! Die Gemeinschaft des Glaubens Abrahams macht Abrahams wahre Kinder, und wer sie hat ist sein und mit ihm an Gottes Tischen, sei er vom gelobten Lande oder vom fernen Norden oder woher immer entsproßen. Das laßt uns nie vergeßen! Nichts füllt den Himmel, Nichts bringt uns hinein, als der Glaube, der aus dem Wort gezeugt, am Worte hält, das Auge voll Licht, die Seele voll anbetender Demuth macht. Es ist kein Heil außer dem Glauben. Der Jude verfehlt bei allen Vorzügen, die ihm Gott gegeben, ohne den Glauben das ewige Ziel; und der Heide, bei allem Jammer, bei aller Finsternis, in welcher er gewandelt hat, wird doch selig und mit Armen des wonnigsten Erbarmens aufgenommen, wenn er nur den Glauben findet, ehe er hinfährt.


 Von der Herrlichkeit des HErrn und vom Glauben haben wir gesprochen, liebe Brüder! und ich hoffe, wir haben, indem wir vom Glauben sprachen, uns von Ihm Selbst, dem HErrn, mit nichten entfernt. Aller Glaube nahet JEsu und hängt und bleibt an Ihm, obschon er auch kennt und weiß, mit wem er sich vereint. Aber ich habe mir noch ein Drittes zu erwähnen aufgespart, das zwar in unserm Text nicht so, wie des Glaubens Preis, zu Tage liegt, auch nicht so gebieterisch Erwähnung fordert, das aber doch aller Erwähnung und Erwägung und noch einer kurzen Aufmerksamkeit werth ist. Laßet mich es vor euch nennen und rühmen!

 Es erscheint nemlich im Evangelium eine dreifache Ordnung, und jede wird von dem HErrn geehrt und gelobt. Dem geheilten Aussätzigen wird von Christo befohlen, sich den Priestern zu zeigen, denen nach alttestamentlichem Befehl das Reinsprechen genesener Aussätzigen zukam. Auch wird er angewiesen, die von Mose angeordnete Gabe zu opfern. Hier tritt uns also die heilige Ordnung des alten Bundes entgegen, und Christus will sie gehalten wißen. Die Priester, die Opfer, − beide stehen bei dem HErrn in Ehren. Zwar ist es auch eine Absicht des HErrn gewesen, durch diesen Gehorsam gegen die alttestamentliche Ordnung den Priestern das geschehene Wunder nahe zu bringen, sie zur Ueberlegung und Betrachtung des wunderbaren Wirkens Jesu anzuleiten, ein Zeugnis über sie abzulegen; aber alles das hätte auch auf anderem Wege geschehen können, und daß gerade der Weg alttestamentlicher Ordnung gewählt wird, ehrt diese und beweist, daß eben sie nach des HErrn Sinn eine gebahnte Straße zu Ihm sein und werden sollte.

 Ferner: der Hauptmann erkennt Christum als das Haupt aller Dinge, alle Creaturen, alle Krankheiten und Uebel sieht er um Seinen Thron her stehen als Knechte und Diener, die Seines Winkes warten, deren jedem Er sagen kann: „Komm her“, so kommt er, und „Thue das“, so thut ers. Auch das ist Ordnung, denn es ist Ueberordnung und Unterordnung, und wo diese sind, da eben ist Ordnung, die rechte Ordnung in Hoheit und Demuth, in schönster Zier. Es ist aber nicht eine Ordnung des alten, sondern des neuen Testamentes, eine Ordnung des Gnadenreiches und des Heils, und es ordnen sich alle Dinge dem HErrn unter, auf daß Sein Vorsatz, die Menschen von

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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 085. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/96&oldid=- (Version vom 22.8.2016)