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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

Seinem eigenen Plane lag und liegen konnte, selbst ehelich zu werden; desto nöthiger wurde es, daß die Ehe anderweitig von Ihm als recht und heilig anerkannt und unter Seinen Schutz genommen würde. Sein eheloses Leben konnte ja sonst zur Schmach der Ehe ausgedeutet werden. Man konnte in falscher Anmaßung es nachahmungswürdig und nachahmlich finden, ehelos wie Er zu leben. Man konnte zum mindesten aus Seinem Beispiel versuchen den Beweis zu liefern, daß Ehelosigkeit über der Ehe hoch erhaben stehe. Wer darin seine Christusähnlichkeit gesucht hätte, dem würde man vergebens vorgehalten haben, daß Christus ein ewiger Bräutigam und Mann Seiner heiligen Kirche genannt werde, daß von der Ehe und dem ehelichen Leben die Gleichnisse für das Geheimnis der allerheiligsten Liebe Christi und Seiner Kirche hergenommen werden: eben das würde von einem solchen umgekehrt und behauptet worden sein, daß also die Verbindung mit dem HErrn Ehe genug sei, daß es also nichts sei mit der andern zeitlichen irdischen Ehe. Haben wir doch in der Geschichte Beispiele genug, durch welche wir unsre Befürchtungen als gerecht erweisen können! Ist doch, genau genommen, von Befürchtungen gar nicht mehr zu reden, da wir wißen, wie schrecklich wahr sie bereits tausendmal geworden sind. Darum müßen wir dem HErrn von Grund der Seelen danken, daß Er in der Geschichte unsers Textes eine so weise Veranstaltung getroffen hat, die Ehe zu ehren und das gute Gewißen der Eheleute wider alles heillose Geschwätz zur Rechten und zur Linken zu stärken.

 Dieß Lob der Ehe, welches in unserm Evangelium liegt, wollen wir nicht übersehen. Wir hätten es wohl unberücksichtigt laßen und von dem Wunder unsers Textes ein mehreres berichten können; aber in Anbetracht, daß wir im Laufe des Kirchenjahres von Wundern noch oft genug, von der Ehe aber kaum noch einmal schickliche Gelegenheit finden werden zu reden; in Anbetracht, daß wir einer Zeit angehören, die durch eine leichtsinnige Anschauung der ehelichen Dinge gezeichnet, fast hätte ich gesagt „gebrandmarkt“ ist; in Anbetracht, daß wir von dem HErrn, dem ewigen Thema unsers Singens, unsers Predigens, gewis nicht weichen, wenn wir bei dem Lobe der Ehe länger verweilen, habe ich absichtlich von des HErrn Erhabenheit und deren Offenbarung im Wunder kürzer abgebrochen, damit ich noch einige besondere Bemerkungen zum Lobe der Ehe unserm Text entnehmen und euch zur Ueberlegung und Beherzigung darbieten könnte. Werdet mein und meiner Rede nicht überdrüßig, indem ich meinem diesmaligen Zuge folge!

 1. Der HErr, Seine Mutter, Seine Apostel sind Hochzeitgäste. Das ist Lob für Hochzeit und Ehe. Wenn es auch nicht wahr sein sollte, was die Sage spricht, daß der Bräutigam ein Apostel, Simon von Cana, war: es liegt doch schon Ehre genug für die Ehe in dem Umstande, daß die heiligsten unter allen Menschen Hochzeitgäste sind. Hätte der HErr an Hochzeit und ehelichem Stande ein Grauen gehabt, wie leicht wäre es für Ihn gewesen, wegzubleiben! Er vermeidet aber diese Hochzeitfeier nicht, Er kommt gerne dazu und überläßt es Seinen Nachfolgern und Anbetern, aus Seinem Hochzeitbesuche dermaleins zu schließen, daß Er ist ein Heiland der Ehe und zukünftiger, aus der Ehe entsprungener Geschlechter.

 2. Während der Hochzeitfeier verschafft der HErr guten Wein in reichlichem Maße. Damit befördert und billigt Er also auch die Hochzeitfreude, damit spricht Er aus, daß der Hochzeittag ein Freudentag und der Beginn der Ehe ein glückliches Ereignis ist. Der HErr hat Sich allewege als einen Feind jener häßlichen Lebensansicht bewiesen, die im Leibe die Quelle aller Sünde, in jedem leiblichen Gute einen gefährlichen Feind der Seelenruhe findet. Niemals wollte Er das leibliche Leben ertödten, sondern verklären und heiligen wollte Er es. Nirgends erkennt Er in mönchischer Verleugnung und heuchlerischer Verachtung der Creatur eine Tugend; vielmehr will Er dankbaren Gebrauch der irdischen Güter, lehrt uns mitten im Gebrauch den Misbrauch scheuen, in der Fülle des zeitlichen Wesens edle Freiheit von demselben und Reinigkeit mitten im Besitze deßen, womit sich andere verunreinigen. Lieber ließ Er sich selbst einen Freßer und Weinsäufer schelten, als daß Er in jene Ansichten von Heiligkeit und Tugend einstimmte, die sich in jedem entarteten Zeitalter erzeugen, die aber, indem sie von Strenge und Heiligkeit gleißen, inwendig mottenfräßig und voll bösen Gewißens sind. Zu diesen Ansichten gehörten auch die von der Ehe, welchen gerade im Zeitalter und im Vaterlande JEsu von vielen gehuldigt wurde. Die Ehe wurde für unrein geachtet, Ehelosigkeit und Reinigkeit zusammen gedacht, zusammen gepredigt und gepriesen; dem entgegen lehrt der HErr ein anderes. Er kennt und gibt

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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 077. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/88&oldid=- (Version vom 22.8.2016)