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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

Wunsch zu finden, die Martyrkrone zu erlangen. Luther hat unter Thränen gewünscht, sein Leben für das Evangelium hingeben zu dürfen; viele Tausende haben in den ersten Zeiten der Kirche einen solchen Tod mehr gewünscht, als jetzt ein ehebrecherisch Geschlecht Fleischesfreuden! Wer aber erschrickt jetzt nicht vor einem Wunsche, wie der ist? Wem kommt er nicht wie eine Schwärmerei, ja fast wie Lieblosigkeit, wie ein Wunsch zu fremdem Nachtheil, wie ein Fluch vor, − denn fast scheint es ja, als ob, wer so etwas schön findet, dem Fürsten Herodis Grausamkeit, dem Volke Herzen voll jüdischen oder heidnischen Haßes gegen Christus wünschte. Es scheint auch kaum mehr, daß ich also rede, eine Gelegenheit zum Martyrium vorhanden. Es scheint sich kein Tyrann, kein wüthendes Volk, keine Welt, kein Teufel mehr zu finden, der Lust und Unverstand genug hätte, es mit dem Christenblut zu wagen, mit dem Blute, das gen Himmel schreit wie Abels Blut und den Allmächtigen und Seine Allmacht auf den Kampfplatz ruft. Laßt uns das Haupt senken und stille sein! − Ich wünsche dir und mir den Glauben, der stark ist, Noth und Tod zu überwinden. Ich wünsche dir die Freude, für Jesum alles wagen zu können und zu dürfen. Ich wünsche, daß dus thuest im Kleinen und im Großen, im Leben und im Sterben und daß du sterbend jeden Falls an Tod und Teufel zum Ritter werdest. Die Martyrkrone aber? Sie ist ein Kleinod, das man nicht empfängt, weil man es wünscht. Hier herrscht ein geheimer Rath. Sind wir nur Sein, dann können wirs neidlos tragen, fröhlich schauen, wenn andere vor uns glänzen in jener Welt. Nur Sein, nur Sein! Nur Dein, nur Dein, HErr JEsu! Amen.




Am Erscheinungsfeste.

Evang. Matth. 2, 1–12.
1. Da JEsus geboren war zu Bethlehem im jüdischen Lande, zur Zeit des Königs Herodes, siehe, da kamen die Weisen vom Morgenlande gen Jerusalem, und sprachen: 2. Wo ist der neugeborne König der Juden? Wir haben seinen Stern gesehen im Morgenlande und sind kommen ihn anzubeten. 3. Da das der König Herodes hörete, erschrack er, und mit ihm das ganze Jerusalem; 4. und ließ versammeln alle Hohepriester und Schriftgelehrten unter dem Volk, und erforschte von ihnen, wo Christus sollte geboren werden. 5. Und sie sagten zu ihm: Zu Bethlehem im jüdischen Lande. Denn also stehet geschrieben durch den Propheten: 6. Und du Bethlehem im jüdischen Lande, bist mit nichten die kleinste unter den Fürsten Juda; denn aus dir soll mir kommen der Herzog, der über mein Volk Israel ein Herr sei. 7. Da berief Herodes die Weisen heimlich, und erlernete mit Fleiß von ihnen, wann der Stern erschienen wäre. 8. Und weisete sie gen Bethlehem und sprach: Ziehet hin und forschet fleißig nach dem Kindlein, und wenn ihrs findet, so saget mirs wieder, daß ich auch komme und es anbete. 9. Als sie nun den König gehöret hatten, zogen sie hin. Und siehe, der Stern, den sie im Morgenlande gesehen hatten, gieng vor ihnen hin, bis daß er kam und stand oben über, da das Kindlein war. 10. Da sie den Stern sahen, wurden sie hoch erfreuet, 11. und giengen in das Haus und fanden das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder, und beteten ihn an, und thaten ihre Schätze auf, und schenken ihm Gold, Weihrauch und Myrrhen. 12. Und GOtt befahl ihnen im Traum, daß sie sich nicht sollten wieder zu Herodes lenken, und zogen durch einen andern Weg wieder in ihr Land.

 IN den Tagen, in welchen unser HErr geboren ist, war nicht bloß unter den Juden, sondern auch unter den Heiden ein allgemeines Geschrei, daß ein Erlöser und Helfer aller Welt aus Juda kommen sollte. Die Juden, das wißen wir, erwarteten ihn längst mit sehnlichem Verlangen, und die heidnischen

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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 059. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/70&oldid=- (Version vom 22.8.2016)