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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

unser letzter Hauch sei JEsus, und der letzte Ton, der uns ins ersterbende Ohr gerufen wird, sei JEsus, und wenn wir in Jerusalem, die ewige Stadt eingehen, so sei, das bitten wir, wiederum unser erster Name den wir rufen, JEsus. − JEsus Christus, gestern und heute derselbe, und derselbe in Ewigkeit! Hallelujah!


 Ich weiß, meine Lieben, heut ist Neujahr, und ich habe noch keine Sylbe vom Neujahr gesprochen. Ich denke jedoch nicht, daß ich groß Unrecht gethan habe, von der Beschneidung JEsu und Seinem heiligen Namen geredet und von dem Neujahr geschwiegen zu haben. Das Gedächtnis des ewigen Heilands und Seines ewig heilsamen Namens und Seiner Werke und Leiden, die uns ewig selig machen, haben großen Vorzug vor dem Feste der Vergänglichkeit, des eilenden Kommens und Gehens aller irdischen Dinge, welches die Welt an ihrem gefeierten Neujahrstag begeht. Oder ist das Neujahrsfest mehr, als das? Und hat die Kirche nicht überdieß ihr eigenes Neujahr an Advent, welches sie in einem schöneren Sinne feiert, als die Kinder der Welt insgemein diesen Tag begehen? − − Es ist euch etwa nicht recht, daß ich Advent dem Neujahr vorziehe und über dem Beschneidungsfeste das Fest der Vergänglichkeit und des Wechsels vergeße? So will ich euch zu Liebe dem Neujahrsfeste auch eine Seite abzugewinnen suchen, die sich mit der Weihnachtszeit und dem Beschneidungsfeste vereinigen läßt. Ich will es nehmen als das, was es ist, als ein Fest der Zeit, will vergeßen, was dahinten ist und vorwärts schauen, wünschend, hoffend, betend! Ich will das Neujahrsfest ein Fest guter Zukunft nennen, dann paßt mir aber auch kaum etwas anderes so gut zum Neujahre als was ich schon gesagt habe. In der Beschneidung sahen wir den werdenden Jesus, Sein Jesusname deutete uns auf die Zukunft des Werdenden, des uns freilich längst Gewordenen. Man könnte den Beschneidungs- und Namenstag des HErrn ein Fest des werdenden JEsus nennen, des JEsus, welcher heute den Pfad Seines Lebensberufes betritt. Wohlan denn! Gedenken wir des werdenden JEsus am neuen Jahre und betteten im Andenken an Ihn den neuen Zeitabschnitt, den wir heute vor uns sehen, die werdende Zukunft, die sich uns heute öffnet. Wie Er für die Menschheit täglich mehr wurde, was Er werden sollte, so mögen auch wir alle Tage mehr werden, was wir sollen! Wir werden es nur in Ihm. Wer ist jemals außer Ihm etwas geworden? Ohne Ihn, außer Ihm verfehlen wir die Bestimmung, die wir haben. Die Mühe unsrer Geburt und Erziehung, die Unruhe unsers Kämpfens und Werdens, − außer JEsu, ohne JEsum ist alles verloren und eitel. In Ihm ist unsre Hoffnung, unser Gedeihen, unsre ganze Zukunft, unsre Ewigkeit. So helfe Er Uns denn − und was ER war und wurde, JEsus, das werde Er uns immer mehr, das werde Er uns besonders in diesem Jahre immer mehr. Er rette uns von unsern Sünden, Er mache uns selig, Er laße uns Sein Volk sein in Zeit und Ewigkeit! Er sei unser Heiland, unser HErr JEsus, und Seines Namens Seligkeit erfülle unsre Seelen, so lange wir hie wallen, und wenn wir daheim sein werden, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Und gelobt sei der Name des HErrn von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.




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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 051. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/62&oldid=- (Version vom 22.8.2016)