Seite:Wilhelm Löhe - Evangelien-Postille Aufl 3.pdf/400

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

Armen, denen ein gebeßerter Reicher wohlgethan hat, zur Zeit seines eigenen Abscheidens schon daheim: etliche können daheim sein, andere leben noch. Wenn man nun die Worte Christi von jenem ganz wörtlich verstehen kann und muß, so muß doch auch eine entsprechende Thätigkeit derer, die noch auf Erden leben, angenommen werden. Was die abgeschiedenen seliglich erfüllen dürfen, das erbitten die lebendigen Armen; jene führen ein in die ewigen Hütten, diese bitten darum. Diese geleiten ihre Wohlthäter bis zu den Pforten der Ewigkeit diesseits; jene empfangen sie an den Pforten jenseits. − Ob aber auch ein Armer, dem eine Wohlthat zufließt, gottlos wäre und das schuldige Amt der Fürbitte für seine Wohlthäter nicht ausübte; ja, ob ein gebeßerter Reicher all sein Wohlthun auf undankbare und vergeßliche Nehmer ausschüttete; der HErr bürgt ihm mit diesen Seinen süßen Worten dennoch für einen seligen Empfang. Er hat jenseits Engel und Auserwählte genug, deren höchste Freude es sein wird, bekehrte Sünderseelen in die ewigen Hütten zu sich einzuführen, und Seine heilige Kirche steht auf Erden ohne Unterlaß an den Altären und betet für die bekehrten Seelen, für ihr Leben und Sterben. Am Geleite hier, dem betenden, am Geleite dort, dem triumphirenden, fehlt es unserm Gotte und Seinen heimfahrenden Pilgern nie. Sein Auge sieht jede von Reuethränen benetzte Wohlthat sündenmüder Zöllner. Vor Ihm stehen die gottlosen, gebetlosen Armen und die dankbaren betenden als treue Zeugen wahrer Beßerung. Der stumme und der fluchende Arme reden vor Ihm laut und zum Guten. Man sei nur treu im reuevollen Wohlthun, der HErr wird alsdann den Ausgang aus der Zeit segnen und den Eingang in die Ewigkeit.


 Gute Werke geben Zeugnis unserer Bekehrung. Unsere Bekehrung muß von der Art sein, daß sie sich aus unsern Werken beweist. Auf wahre, ernstliche, thatenreiche Bekehrung dringt der HErr. Als besondere Gnade verspricht Er solchen Bekehrten ein Entgegenkommen und ein Geleite der Zeugen unsrer Beßerung, wenn wir sterben. Das sind Sätze, welche aus unserm Evangelium deutlich hervorgehen, und was Er den Zöllnern sagen will, ist dieses: In Mir habt ihr Vergebung; nun beweiset, daß Meine Vergebung bei euch bleibt, Mein Geist in euch ist, daß es beßer mit euch geworden ist. Geht hin, ihr unwürdigen, aber begnadigten Reichen und nehmt durch eure Wohlthaten die Armen und Kranken und Nacketen zu Zeugen eurer Aenderung, weil euch die Pharisäer kein Zeugnis geben. Himmlische Weisheit ist wahre, bezeugte Bekehrung, liebethätiger Glaube. Um den thut euch um und so es euch damit gelingt, so laßet die Pharisäer zanken und murren, so lang es ihnen gefällt.


 Liebe Brüder und Freunde! Dieses Evangelium redet vom Mein und Dein, von Geiz und Habsucht. Viele sind geizig ohne Habsucht, viele habsüchtig ohne Geiz. Viele sammeln ohne Praßen, viele sammeln, um zu praßen. Etliche stehlen und betrügen, um zu geizen, etliche um zu praßen. − Habsüchtig, um zu praßen, finde ich unter euch wenige. Derjenigen aber, die habsüchtig sind ohne Praßen und geizig ohne Praßen mögen mehr sein. Es gibt wenige Reiche unter euch, es ist wahr. Aber Habsucht und Geiz finden sich nicht bloß bei den Reichen, sondern auch bei den Armen. Arme und Reiche können dem Mammon dienen; es kann das Wenige, das ein Armer hat, eben so sehr ein ungerechter Mammon sein, als die Fülle des Reichen. Ich denke, Belege hiezu könnten sich in der Nähe, wie in der Ferne genug finden.

 Denen unter euch, welche sich das zu Herzen zu nehmen haben, gebe ich gemäß unserm Evangelium einen guten Rath. Macht es wie die Zöllner! Geht zu JEsu und laßt euch die höhnende, zankende, murrende Rotte der Pharisäer nicht hindern, die es, wenn sie nicht voll blinden Uebermuths wäre, gerade so machen würde und machen müßte wie ihr. Laßt euch die Gleichnisse vom verlorenen Schafe, vom verlorenen Groschen, vom verlorenen Sohne Muth machen, zum HErrn zu gehen; sie versprechen euch, wenn ihr reuevoll kommet, eine gute Aufnahme, Vergebung eurer Schuld und Frieden. Aber, meine Freunde, vergeßt auch ja nicht, daß ihr die Wahrheiten des heutigen Evangeliums kennen gelernt habet, daß der HErr die Zöllner und Sünder, welche bei Ihm verharren, zur Beßerung unterweist. Ihr seid nicht beim HErrn, wenn ihr euch nicht beßert. Es geht mit der inwendigen Beßerung allerdings nicht so schnell, wie mit der äußern, und man hat immer über einen zu langsamen Gang zu klagen. Aber so langsam es gehe, rückwärts soll es nicht gehen, wenn

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 061. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/400&oldid=- (Version vom 17.7.2016)