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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

erfreuen, den edlen Spruch jenes frommen Bischofs sprechen: „Gott sei Dank für alles!“ Lernet ihn also, daß ihr ihn auch im Kreuze sprechen könnet und wenn das Haupt erblaßend in den Staub sinkt.


 Zu dankbarer Freude an den mancherlei Gaben Gottes habe ich euch aufgefordert; laßt mich noch einen Grund mehr zur Freude und Danksagung anführen. Der HErr gibt nicht bloß mancherlei Gaben, Er gibt auch Seine Gaben im Ueberfluß. Sieben Brote waren da, als man austheilte; sieben Körbe mit Brocken waren vorhanden, als man das Uebriggebliebene sammelte. Das heißt überflüßig geben. Und so gibt der HErr im Grunde doch allen, über denen nicht ein besonderer, geheimnisvoller Rath waltet. Wenn ein Lebenslauf zu Ende ist, überwiegt das Gute, welches der HErr gegeben, allermeist, ja immer das Uebel. Allermeist heißt es: „Er hat mich reichlich und täglich versorgt.“ Allermeist muß die Frage: „Habt ihr auch je Mangel gehabt?“ beantwortet werden mit einem: „Herr, nie keinen!“ Man muß zuweilen Mangel leiden, darben und hungern, wie die vier Tausende in der Wüste; aber durch Mangel und Kummer steigen doch die meisten zu Ueberfluß auf, und wenn ein Mann auch anfangs den Schweiß seines Angesichtes reichlich vergießen und sich mit viel Kummer nähren muß: zuletzt kommt es meist anders und am Abend wird es auch in dieser Beziehung für viele Licht. Drum sei auch in der Noth das Wort „Gott sei Dank für Alles“ hoffend gesprochen und an der reichen Erfahrung göttlicher Hilfe erstarke der Geist zu unwandelbarem Vertrauen; zu tapferer Ertödtung aller Sorgen, zu Dank und Preisgesang in allen Fällen! − Deine mannigfaltige, überfließende Güte, HErr JEsu, Deine reiche, milde Hand, Dein frommes Herz sei von mir und allen den Deinigen allezeit bewundert und verehrt, und daß Du alles wohl machst und Dich erbarmest aller Deiner Werke, das sei mein Wort im Leben und im Sterben! Amen.




Am achten Sonntage nach Trinitatis.

Evang. Matth. 7, 15–23.
15. Sehet euch vor vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen; inwendig aber sind sie reißende Wölfe. 16. An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Kann man auch Trauben lesen von den Dornen, oder Feigen von den Disteln? 17. Also ein jeglicher guter Baum bringet gute Früchte; aber ein fauler Baum bringet arge Früchte. 18. Ein guter Baum kann nicht arge Früchte bringen, und ein fauler Baum kann nicht gute Früchte bringen. 19. Ein jeglicher Baum, der nicht gute Früchte bringet, wird abgehauen und ins Feuer geworfen. 20. Darum an ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. 21. Es werden nicht alle, die zu mir sagen: HErr, HErr! in das Himmelreich kommen; sondern die den Willen thun meines Vaters im Himmel. 22. Es werden viele zu mir sagen an jenem Tage: HErr, HErr, haben wir nicht in Deinem Namen geweißagt? Haben wir nicht in Deinem Namen Teufel ausgetrieben? Haben wir nicht in Deinem Namen viele Thaten gethan? 23. Dann werde ich ihnen bekennen: Ich habe euch noch nie erkannt, weichet alle von mir, ihr Uebelthäter.

 ES ist unter unserm Volke eine gemeine Rede geworden, von den Predigern zu sagen: „Sie predigen Gottes Wort“. Diejenigen, welche dem Satze widerstreiten, werden für lieblos und für Wortzänker angesehen. Es sollte nun freilich wohl so sein, daß alle Gottes Wort predigten, und es wäre die größte Ehre für die Prediger, wenn man unbesehens von allen sagen könnte: „Sie predigen alle Gottes Wort“. Aber so stehts nun einmal nicht, daß man ihnen insgemein diese Ehre anthun könnte, und es unterliegt durchaus keinem Zweifel, daß das Recht auf Seiten derer steht, welche einen Unterschied unter den Predigern

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 051. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/390&oldid=- (Version vom 17.7.2016)