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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

himmlischen Beruf! Demüthig − und eifrig im Guten! Voll tiefen Wehs der Sünde − und doch voll glühenden Hungers des heiligen JEsu Eigentum zu sein! Nichts schonen, alles verlaßen, Weib und Beruf und Haus, und JEsu folgen! O des nachahmungswürdigen Beispiels Petri, der, so von dem heiligsten Fischer JEsus gefangen, den Weg betritt, ein Menschenfänger sonder Gleichen zu werden! Brüder, wandeln wir auch so durch Mangel und zeitlichen Berufssegen zur Demuth und von der Demuth zum Gehorsam, zur Hingabe an JEsum? Petrus verließ alles und folgte JEsu; halten wirs für schwerer oder für leichter, was uns obliegt, − nichts zu verlaßen und Christo zu folgen, also durch die zeitlichen Güter zu wandeln, daß wir die ewigen nicht verlieren? − Ich breche ab, ich wiederhole nur noch den Sinn des Gesagten mit zweien Worten, − mit zweien Worten, die ich am liebsten zu dem Vater der Barmherzigkeit in Christo JEsu richte: Der HErr gebe, daß auch uns der zeitliche Beruf zur Erreichung des himmlischen, zu unserer Seelen Vollendung diene!


 Fische fahen, Menschen fahen − beides zeitliche Berufe, beide von Gott, beide bestimmt, dem ewigen Berufe, der Heiligung und Vollendung der Menschheit zu dienen! So haben wir vernommen. Beide ordnen sich dem himmlischen Berufe unter, das ist gewis; aber laßt uns einmal beide nicht mit dem höheren, himmlischen Berufe, sondern unter einander vergleichen, so werden wir finden, daß sich einer wieder dem andern unterordnet. Welcher von beiden mit dem himmlischen Berufe der Menschheit am unmittelbarsten zusammenhängt, ihn am kräftigsten fördert, der ist unter beiden der erste, dem ordnet sich der andere unter. Sieh in unsern Text! Der Fischer läßt seine Netze, leiht dem großen Menschenfischer JEsu sein Schifflein, führt es ein wenig vom Lande, nicht um aus dem See Genezareth Fische zu ziehen, sondern damit der HErr von der Schaar an dem gekrümmten Ufer beßer gesehen und vernommen werden könnte. Das Schifflein wird zur Kanzel, der Fischer zum Kirchner − offenbar dient der Fischer und sein Fahrzeug dem Menschenfischer JEsus, der zeitliche Beruf des Fischefahens weicht und gibt die Ehre dem zeitlichen Berufe des Menschenfahens; dieser ist der erste, jener ist der zweite. So ist es: alle zeitlichen Berufe ordnen sich dem Berufe des Menschenfahens unter, weil keiner so unmittelbar und geradezu die Bahn zum Himmel und der ewigen Verklärung des menschlichen Geschlechtes zeigt, auf dieselbe hilft und auf ihr fördert. Es ist nicht muthwillige, übermüthige Erhebung, sondern es ist gerechte Anerkennung einer unumstößlichen Wahrheit, wenn wir behaupten, vor dem Netze des Menschenfischers JEsus, vor dem Amte und Berufe, den Er gestiftet hat, Seelen aus dem Meere der Welt zu Sich zu ziehen, neigen sich auch Kronen und Scepter, − und alle Berufe der Welt und die gesammte letzte Zeit und Stunde der Welt dient im Grunde nur dazu, daß JEsu Fische gefangen werden, und wenn der letzte ins Netz gegangen, den Er vorausgesehen, so verrinnt die Zeit, alle zeitlichen Berufe hören auf und die Ewigkeit beginnt. − Scheine ich zu viel zu reden, bin ich albern im Ruhme des Amtes, das ich selber habe; so vertraget mich noch ein wenig, und laßt mich hoffen, daß, was ich ferner zu reden habe, euch meine Behauptung und den Ruhm meines Amtes angenehmer macht. Sehet noch einmal in den Text! Warum empfängt Petrus die große Menge Fische? Ists nicht Lohn dafür, daß er in seinem zeitlichen Berufe dem Menschenfischer JEsus gedient hat? Segen im zeitlichen Berufe erscheint hier als Lohn für treue Unterordnung desselben unter den Beruf des Menschenfahens. Ich will nicht zu dem biblischen Beispiele noch andere aus der Geschichte der Welt und der Kirche liefern, die ein Gleiches bezeugen, daß der HErr diejenigen im zeitlichen Berufe segnet, welche ihn anwenden, dem Menschenfischer JEsu zu dienen. Ich will es kühnlich wagen, aus dem einen Beispiel unsers Textes meine Behauptung aufzustellen und hier zu wiederholen; ich will auf Widerlegung warten − und werde geruhig warten − und fortfahren können. − St. Petrus ordnet seinen Fischerberuf dem Berufe des Menschenfahens unter, dafür empfängt er im zeitlichen Berufe selbst großen Segen, und der große Segen dient nun wieder dem Beruf des Menschenfahens. Denn er selbst und seine Genoßen im zeitlichen Berufe werden durch diesen Fischfang gefangen, JEsu Anbeter, JEsu Schüler − und wir merken also, daß nicht bloß der zeitliche Beruf des Fischers, sondern auch der irdische Segen des Fischers im Dienste des Menschenfahens steht. Das merken wir und wir schließen getrost daraus noch mehr,

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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 037. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/376&oldid=- (Version vom 5.7.2016)