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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

Stoff und Anlaß für zukünftige Ueberweisungsgründe jedes Unglaubens an die Auferstehung JEsu, aber sie verdiente dennoch weder Dank noch Lohn, denn sie gedachte es böse zu machen, obwohl sie es unter Gottes Hand gut machen mußte. Den Hohenpriestern nemlich und den Pharisäern mochte es unheimlich sein bei alle dem, was von dem Tode JEsu und seinen Folgen kund geworden war. Sie fürchteten die Auferstehung, den Neubau des heiligsten Tempels, − und was möglich war, ihn zu verhindern, das thaten sie. Sie giengen zu Pilatus und baten ihn um Versiegelung und Bewachung des Grabes, damit nicht, wie sie sagten, die Jünger kämen, den Leichnam stählen, die Fabel von der Auferstehung ausbreiteten und der letzte Betrug ärger wäre denn der erste; denn der Verstorbene hätte ja gesagt, er würde nach drei Tagen auferstehen. Pilatus gewährt ihnen die Wache und Versiegelung, wie dem Joseph die Bestattung. Es wird also am Sabbath gearbeitet, denn es ist hohe Noth, − man muß ja den Stein versiegeln, und die Wache muß auch vor’s Grab gelegt werden.

 Laßt nur wachen und siegelt fein fest: die Erde wird beben und eure Siegel brechen und euer Grabstein wird geschleudert werden! Nun steht die Sache nicht mehr so, daß ihr eine Macht habet. Was ihr konntet, war, daß ihr Ihn dem Landpfleger zur Kreuzigung übergabet. Nun aber − da die Seele JEsu im Paradies ruht und trotz des Todes die Schlacht gewonnen hat, nun sich bereits alle Heiligen im Himmel zum Osterhalleluja bereiten: nun ist’s aus mit eurer Macht auch über den Leib JEsu. Siegelt nur zu, ihr seht Ihn nicht mehr. Geht nur und lebt wohl, wenn ihr könnet, bald werdet ihr mehr hören − und der Siegeswagen des Gekreuzigten wird an Euch vorüberrollen. Ihr habt den auserwählten Stein verworfen, aber er ist zum Eckstein geworden; er wird euch zermalmen, oder werdet ihr an ihm zerschellen, wenn ihr euch nicht bald aufmachet und Buße thut.

 Stiller JEsu, siegreicher Streiter, Du liegst dem Leibe nach im Grabe vom Freitag bis zum Sonntag! Wer weiß, warum Du so lange ruhtest, warum nicht eher auferstandest! Wer weiß, was im Himmel, was im Paradiese vorgegangen ist! Selige Geheimnisse, welche uns dereinst Dein Geist ausdeuten wird! Gewis ist, daß Du den Zustand nicht scheutest, in welchem unsre Todten sind und zu welchem über ein Kleines auch wir eingehen werden. Denn Du walltest außer dem Leibe, wie andere Seelen, und Dein Leib, eine verlaßene Gotteshütte, lag allein und seelenlos im Grabe! Bist Du geworden wie wir, so wollen wir auch werden wie Du, und uns kein Grauen hindern laßen, den Weg zu gehen, den auch Du giengst, auf daß Du ihn heiligtest, ihm das Gefährliche und Verdammliche nähmest! − − Grab JEsu, − o ein heiliger, hoffnungsvoller Ort, der mir meine Hoffnung zeigt! Mein Grab − o ein Aufenthalt durch JEsu Begräbnis und Auferstehen mit Hoffnung gekrönt! Dein Loos ist meines, HErr JEsu; auch mein Fleisch wird ruhen, wie Deines, in Hoffnung, ob es auch gleich die Verwesung sehe. Denn Du bist mein Heiland, der meine Straße gieng, auf daß ich unverzagt die Deine gienge! Ruhender HErr JEsu, stiller JEsu, meine Hoffnung, sei gepriesen jetzt und in der Stunde meines Abschieds! Amen.




Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 323. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/334&oldid=- (Version vom 8.8.2016)