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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

Die Soldaten wißen nichts, die Priester wißen nichts, aber ich weiß es, und ich bete Dich an für Deinen Tod, für Dein göttliches Vollenden und für die Niederlegung alles Deines Verdienstes in Dein Wort und Deine Sacramente! Amen.




17. Begräbnis JEsu.
Matth. 27, 57–66.

 JEsus ist gestorben. Sein Leichnam hängt blutbeträuft und erblaßt mit durchbohrter Seite am Kreuze. Er ist durchbohrt, um abgenommen werden zu können, weil den Sabbath über kein Leichnam am Kreuze bleiben darf. Wer wird aber nun kommen, Ihn abzunehmen und zu begraben? Vielleicht die rohen Kriegsknechte, da kein Jude so leicht wegen der Verunreinigung sich zum Werke nahen wird. Wer wird Ihn auch nehmen dürfen; Er ist ja hingerichtet − und über solche befiehlt die Obrigkeit. Die Jünger, die Apostel, die Mutter, die Frauen − alle zusammen sind keine Personen, welche sich zum Landpfleger wagen werden. Siehe, aus dieser Verlegenheit ist geholfen; Er soll Sein Grab bei einem Reichen finden. Nahe bei Golgatha ist ein Garten und in demselben ein neues, glatt in den Fels gehauenes Grab, in welchem noch niemand gelegen ist. Dies neue Grab ist nach Gottes Vorsehung für JEsum bereitet, obwohl, der es bereiten ließ, daran nicht dachte, als er es bereiten ließ. Es gehört einem Mitglied des hohen Rathes, einem reichen, frommen und angesehenen Manne, dem Joseph von Arimathia. Er hatte nicht mit eingewilligt in den Rath, den HErrn zu tödten, er war vielmehr ein Mann, der auf das Reich Gottes wartete, und ein Jünger JEsu, wenn gleich aus Furcht vor den Juden ein heimlicher. So lange JEsus lebte, wagte Joseph nicht, sich öffentlich für JEsum zu bekennen; aber nun, nachdem der HErr erblaßt war, wo es scheinen konnte, als hätte er am leichtesten sich von dem Bekenntnis zu Ihm zurückziehen können, − da wuchs ihm der Muth. Zu dem er, so lange er am Leben war, nicht öffentlich gehen mochte, den nimmt er als Todten zu sich; da er von Ihm nichts mehr scheint für seine Seele gewinnen zu können, tritt er frei auf Seine Seite. Denn er „wagt es“, zu Pilato zu gehen und um den Leichnam JEsu zu bitten. Zwar verwundert sich Pilatus des schnellen Todes und versichert sich desselben durch das Zeugnis des herbeigerufenen Hauptmanns, der die Wache auf Golgatha befehligte; aber als der Tod außer Zweifel erkannt wurde, schenkte Pilatus dem Joseph die theure Leiche, − einen Besitz, der für Pilatus keinen Werth hatte, in Josephs und aller Christen Augen aber aller Welt Schätze überwog. Da gieng denn Joseph hin; er wußte, daß er sich durch Berührung eines Todten verunreinigte und untüchtig wurde für andere Feiern des Passahfestes, welche allenfalls noch auf den Abend treffen konnten; allein er achtete es nicht. Mit ihm vereinigte sich Nicodemus, der gleich ihm ein schüchterner Jünger JEsu gewesen war, so lange Dieser lebte, der aber nun auch hervortrat und die Schmach des öffentlichen Bekenntnisses freudig auf sich nahm. Joseph kaufte reine Leinwand, Nicodemus brachte eine große Masse Specerei, Aloë und Myrrhen unter einander (das Pfund zwölf Unzen haltend) und nun umwickelten sie die heilige Leiche mit Tüchern voll Specerei, wie es die Juden zu machen pflegten. Sie legten den Leichnam in das stille Grab und wälzten einen großen Stein vor die Oeffnung. Ganz in der Nähe, dem Grabe gegenüber, saßen die heiligen Frauen, die Ihm von Galiläa bis hieher nachgefolgt waren; sie sahen wehmüthig zu, wie der Leichnam gelegt ward, − giengen dann und bereiteten Wohlgeruch und Salben, noch ehe der Sabbath hereinbrach, um alsbald, wenn der vergangen, die theuerste Leiche noch beßer zu salben. Ihre reine, rücksichtslose Liebe zum HErrn gibt sich ohne Zagen kund, während die Jünger hinter Thür und Riegeln für ihre eigene Sicherheit sorgten. − Nun kam der Sabbath. Der heilige Leichnam ruhte im Grabe, die Freunde trauerten und ruhten, aber die Bosheit ruhte und feierte nicht. Sie arbeitete nicht umsonst, denn sie lieferte nichts als eitel

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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 322. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/333&oldid=- (Version vom 8.8.2016)