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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

Feinde stehen geblieben! Es hat geduldet wie ein Lamm und überwunden wie ein Löwe − und siehe, Es ist erstanden! − Bosheit und Schalkheit, wie wenig stimmen sie zu der Lauterkeit und Wahrheit unsers Gotteslammes, dessen Leben nach dem Tode zu Seinem Leben vor dem Tode stimmt, wie Erfüllung zur Weißagung, wie die That zum vereidigten Wort. Wie Du süße Lauterkeit und Wahrheit mir bewiesen hast, so will ich sie Dir auch beweisen! Siehe, wie ich gerne Wort halten möchte, wie Du Wort gehalten hast! Siehe, wie ich traure, daß ich untreu und unbeständig bin! Ich möchte Ostern halten, möchte Halleluja singen mit meinem Munde, mit meinem Leben! O HErr, barmherziger Heiland, hilf mir, daß ich Dir gleich lauter und wahrhaftig sei!


Am Ostersonntage.
1. Corinther 5, 6−8.
II.

 VOr dem Osterlammseßen mußten alle Israeliten alles, was sich irgendwo in ihren Häusern an Sauerteig fand, zusammensuchen und ausfegen. Dann erst durften sie Osterlamm eßen. An diesen Gebrauch schließt der Apostel die ganze Ermahnung an, welche sich in unserer Epistel findet. − Unser Osterlamm, Christus, ist schon geschlachtet. Die ganze Zeit, seitdem es geschlachtet, seitdem kund geworden ist, daß Gott das Opfer angenommen, seitdem das Osterlamm vom Tode wiedergekehrt ist, − ist nichts anders als eine Osterlammsmahlzeit. Zu geistlicher Nießung im Glauben, zu leiblicher im Sacramente wird die ganze Welt und jeder Einzelne geladen. Alle sollen, dürfen kommen und eßen, die Armen und die Reichen, die Weisen und die Unweisen. Das Leben aller Geladenen und Gekommenen bis zum Tode ist nichts als Osterlammsgenuß, immer neue Bereitung dazu und immer neuer Genuß, − Ostern im schönsten Sinn des Wortes. − Aber wir haben Sauerteig. In dem eigenen Leben und im Leben der Gemeine findet sich Sauerteig. Im eigenen Leben ist nach der Deutung, welche der Apostel gibt, der Sauerteig falsche Lehre und Sünde, Bosheit und Schalkheit. Im Leben der Gemeinde ist Sauerteig Beispiel groben Sündenlebens, Aergernis, wie z. B. in der corinthischen Gemeinde das Sündenleben und Aergernis des argen Blutschänders. Das Leben hat seinen Sonderzweck für den Einzelnen und seinen gemeinsamen Kirchenzweck. Jener besteht in der Reinigung von falscher Lehre und Sünde, dieser in der Reinigung der Gemeinde von allem Aergernis. Beiderlei Zweck soll erreicht werden. Darum sagt der Apostel: „Feget den alten Sauerteig aus.“ − Dem Sauerteig gegenüber steht Süsteig − und was darunter begriffen ist, sagt der Apostel selbst, nemlich Lauterkeit und Wahrheit. Es ganz mit Christo meinen, in der Lehre und im Leben, im eigenen Leben und so viel an uns liegt, im Leben der Gemeinde keine Schalkheit, keine Bosheit dulden, sich ganz dem HErrn ergeben und gehorsam beweisen, weder für sich, noch für die Gemeinde eine Ausnahme zulaßen, von ganzem Herzen Seiner Lehre und Seinen Geboten anhangen, das ist Süsteig der Lauterkeit und Wahrheit. Den sucht Gott bei uns, und Sein Apostel befiehlt, daß wir Ostern halten, im Genuß der Segnungen unsers Osterlamms also leben sollen, daß des Sauerteigs immer weniger, dagegen Lauterkeit und Wahrheit immer größer und mächtiger werde. Denn was hälfe es dem Menschen, wenn er in des Osterlamms Gemeinschaft stände und im Guten nicht zunähme? nicht reiner, nicht lauterer, nicht wahrer würde? Seine Verdammnis würde sich nur mehren, und ganz mit Recht.

 Darum befiehlt der Apostel es genau zu nehmen mit der Ausrottung des bösen Sauerteigs, keinen Leichtsinn in diesem Stücke zuzulaßen. „Ein wenig Sauerteig, ruft er, versäuert den ganzen Teig.“ Eine falsche Lehre übt trübenden Einfluß auf die andern alle: nichts ist so klein in der Lehre, das nicht seine große Folge hätte. Eine Sünde, die man geschont hat, reißt in tausend Sünden und macht der Sünden voll. Ein Aergernis, das in der Gemeine geduldet wird, verursacht, daß Unkraut allenthalben aufschießt. Wehe, wenn man das Böse duldet, wenn man leise gegen sich und seine Brüder in Sachen der Lehre und des Wandels ist. Heilige Strenge befiehlt

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 277. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/288&oldid=- (Version vom 14.8.2016)