Seite:Wilhelm Löhe - Evangelien-Postille Aufl 3.pdf/283

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

Am Sonntage Okuli.
Epheser 5, 1–9.

 AUch diese Epistel, gleich der vorigen, warnt in einem Athem vor Sünden gegen das sechste und siebente Gebot. Es scheint eine innere Verwandtschaft zwischen den zwei Geboten und zwischen den Sünden gegen beide vorhanden zu sein. Jeden Falls verbieten beide die Berührung irdischen Kothes und arger Gemeinheit. Es läßt sich auch nichts Häßlicheres denken, als ein Geiziger, der wollüstig, und ein Wollüstling, der geizig ist. Denke dir ein solches Bild − und dann denke dir gegenüber dem Bilde schmutzigster Eigenheit das Bild der Liebe, das Bild Deßen, „der uns hat geliebet und Sich Selbst dargegeben für uns zur Gabe und Opfer, Gott zu einem süßen Geruch!“ Welch ein Gegensatz! Der Ort, wo diese Gegensätze zusammenkommen und bestehen, ist gewis für beide keine bleibende Stadt. Es ist unmöglich, daß im Reiche Christi und Gottes solche Gegensätze sein und bleiben können. Da, wo Geiz und Wollust sich vereinigen, wird die reine, heilige, aufopfernde Liebe des Sohnes Gottes nicht erkannt, nicht geglaubt, nicht gepriesen: da dient alles, auch Zunge und Lippen, dem Kothgötzen − durch schandbare Worte, Narrentheidinge und unziemlichen Scherz. Da hingegen, wo Christus in Seiner uneigennützigen, schmerzenreichen Liebe erkannt, geschaut und angebetet wird, werden die Seelen „böser Lust Gestank ohne“, voll Reinigkeit, voll Lust am Heiligen und Ewigen, süßen Geruches voll vor Gott. − − Der Mensch hat von Natur eine Stimme, welche in ihm für Reinigkeit und Unschuld spricht. Diese natürliche Stimme ist unaustilgbar, wie das Gewißen, mit dem sie auf das Innigste zusammenhängt. Es gibt drum keinen solchen Grad von Verlorenheit und Sicherheit, bei welchem man ohne alle inwendige Unruhe dem Fleische und Geize fröhnen könnte. Darum wird auch keiner die Vermahnung zur Heiligung vernehmen, ohne daß in der Tiefe seiner Seele ein bekräftigendes Ja und Amen ertönte. Wir fühlen uns alle dem Heiligen verwandt, wer und wie wir sonst auch seien. So wird denn auch das heilige Beispiel JEsu, Seine Aufopferung und Hingebung in unsre Strafen, allezeit Beifall finden, und wenn wir zu Seiner Nachfolge aufgefordert werden, so verlangt niemand eine Begründung dieser Aufforderung: jeder erkennt sie ohne das an. Auch der eitelste Spötter verspottet nicht im Ernste eine apostolische Vermahnung zur Heiligkeit, wie die Ephes. 5, 9. − Wir sind dem Heiligen so verwandt! Wie unbegreiflich ist es drum, daß wir dem Bösen so sehr anhangen und so tief in seine Banden verwirrt sind! − O Du, HErr JEsu, starker Held, der Du die Bande unseres Todes zerrißen hast, hilf auch uns, die wir Dich anrufen, daß wir die erworbene Freiheit ergreifen und Dir ewig dienen und seien „Lichter im HErrn!“


Am Sonntage Lätare.
Galater 4, 21–31.

 ICh glaube Eine, heilige, christliche Kirche, die Gemeinde der Heiligen.“ So bekennst du, geliebter Leser! Vergiß nicht, daß das Wörtlein „Eine“ mit großem E geschrieben ist, damit du es mit Nachdruck sprechest und erinnert werdest, daß nur Eine Kirche sei, sonst keine, − nur eine Versammlung der Heiligen, sonst keine. Vor deinem Auge ist die Versammlung der Heiligen nicht Eine, denn ihre Glieder sind im Himmel, aber auch auf Erden, und du theilst deshalb die Kirche in die triumphirende und in die streitende, in die Kirche der Bürger und in die Kirche der Pilger. Dazu siehst du nicht einmal die Pilger Gottes auf Einem Haufen, denn sie sind in allen Christenlanden, ja auch in allen Confessionen zerstreut, und wandeln in solcher Dunkelheit der Heimath zu, daß kaum einer seinen Nachbar erkennt, geschweige mehr. Vor dem Auge des Leibes ist drum die Christenheit eine im Himmel und auf Erden zerstreute, verborgene Menge. Dagegen vor Gott ist der ganze Haufe Einer, ER kennt die Seinen, Sein Auge übersieht

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 272. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/283&oldid=- (Version vom 14.8.2016)