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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

Verbindungsmittel Himmels und der Erde, der Engel und Menschen. Der HErr ist erstanden, d. i. der Tod ist überwunden und verschlungen ins Leben, der Fluch ist entflohen, Gott ist versöhnet: es ist nun alles wieder gut gemacht, was der Satan verderbt hatte, und nicht die Hölle, sondern der Himmel, die Engel, nicht die Teufel sind fortan die ewige Gesellschaft der erlösten Menschheit. Des freuen sich die Engel, des jubiliren ihre Chöre: nun werden oft unter ihren Lobgesängen Sünder Buße thun und viele Lazariseelen zur ewigen Heimat zu geleiten sein! Bis ans Ende der Tage dauert nun der Jubel und die Freude der himmlischen Geister über den Sieg JEsu und über die Frucht desselben, welche die Menschen genießen. Wer soll das den Menschen ansagen, wenn nicht die Engel selbst? Es sind in allen geschaffenen Räumen für diese Botschaft keine willigeren und fröhlicheren Boten zu finden, und keine glaubwürdigeren. Welcher Mensch würde in dieser Sache bloß seines Gleichen, andern Menschen geglaubt haben? Aber die Engel sind reines Willens, heiliger Erkenntnis, und der menschliche Zweifel schweigt gegenüber solchen Boten. Wie lieblich sind auf den Bergen, herab in die tiefen Thale die Füße dieser Boten, die da Friede verkündigen, Gutes predigen, Heil verkündigen, die da sagen zu Zion: dein Gott ist König! Freut euch, ihr Kinder Zion, der frommen Boten und sprecht ihnen: Willkommen! Es sollen gesegnet sein unsre Freunde vom Himmel, die uns die erste Botschaft der Menschwerdung und die erste Botschaft der Auferstehung brachten! Sie, die heiligen Mittelglieder Himmels und der Erde, sollen gesegnet und gegrüßt sein von uns unreinen Creaturen für alle die Liebe, die sie uns und unserm ganzen Geschlechte von den Tagen des HErrn Messias an erwiesen haben, − und dermaleins, wenn unsre Seelen und Leiber von Banden völlig frei werden, soll es ein anderes Grüßen und Segnen geben!


 Jedoch, laßt uns, − die Engel zur Gesellschaft für immer behalten! − sofort weiter gehen und den Ort genauer betrachten, wo die Engel predigen. Auch er kann uns Freude bereiten. Als die Engel Christi Geburt ankündigten, predigten sie in den Lüften; aber als der HErr auferstanden war, wird ihnen Josephs neues Grab, darin allein der HErr gelegen war, zur Kirche. Die Auferstehung hat sie also der Erde näher gebracht, als die Geburt, und das leere Grab Christi ist ihnen also ein Ort von völligerer Bedeutung als der Stall und die Krippe von Bethlehem; die stille Felsenhöhle der Geburt hat eine mindere Verherrlichung erfahren, so viel wir wißen, als die der Begräbnis oder daß ich es recht sage, der Auferstehung. Denn was die Felsenhöhle von Bethlehem nur weißagte, das hat diese Höhle in Erfüllung gebracht. Dort ist begonnen, was hier vollendet ist; dort ist die Verbindung Himmels und der Erde eingeleitet, hier ist sie völlig zu Stande gebracht. Dort ist geboren, der da siegen sollte; hier ist der ewige Sieger vom Tode erstanden und in Seiner Auferstehung ist Sein Sieg vollkommen. Um der Auferstehung willen kommen denn auch die Engel hieher, nicht um der Begräbnis willen. Denn die Begräbnis ist keine Ehre der Menschheit, wohl aber die Auferstehung. Die Gräber überhaupt sind heilig, nicht weil in ihnen Staub der Verwesung liegt, sondern weil aus ihnen die Leiber der Ewigkeit kommen sollen. Nicht so sehr das Andenken der Vollendeten ist es, was sie schmückt, sondern die Aussicht und große Hoffnung der Ewigkeit macht sie so schön und würdig, daß Engel in ihnen verweilen mögen. Hier lag kein Verwesender, sondern der Heilige Gottes, der die Verwesung nicht sehen sollte, und zur Zeit, da die Engel darin waren, lag Er nicht mehr da, nur die Binden Seines Leichnams, nur die Leinwand Josephs und Nikodemi war zu finden. Aus diesem Grabe war unsers Leibes, ja auch unsrer Seele selige Zukunft auferstanden; in ihm hatte die Menschheit durch Christum ihre größte Verherrlichung, das Fest unverwüstlichen Lebens gefeiert. Ebendarum hatten sich Gottes heilige Boten gerade hieher begeben. Hier, wo man den todten Christus suchte, sollte Seiner Auferstehung Preis kund werden. Kein Ort auf Erden eignete sich so zur ersten Osterpredigt, wie des HErrn JEsus Grab; keiner war auffälliger, Aufsehen und Ueberlegung erweckender für die Unkundigen, keiner paßender für die Kundigen und Glaubenswilligen, keiner ehrte Gott mehr, keiner spottete mehr des Satans. Es ist dieß Grab die heiligste Auferstehungskirche in der ganzen Welt. Die Werkstätte der Verwesung, welche Joseph von Arimathia gebaut hatte,

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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 179. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/190&oldid=- (Version vom 28.8.2016)