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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

Ihm zu ruhen; es ist, als ob durch die Versöhnung der Sünde, durch die Gewisheit der Gnade Gottes, die Er uns erstritten, durch die gewisse Hoffnung der Auferstehung, die in Seiner Auferstehung gründet, alle Schauer des Todes und der Verwesung weggenommen wären. Es ist alles so anders mit dem Begraben und Ruhen in der Erde, seitdem Der in der Erde lag, welcher Lazarum und die Leiber der Heiligen erweckt hat, die am Abend Seines Todes auferstanden und durch ihre Erscheinung bezeugten, daß die Macht des Todes zerbrochen war. Nun singt man nicht mehr Trauerlieder an Gräbern, sondern Lieder von sanfter, hoffnungsreicher Ruhe; nun bläst man beim Begräbnis ahnungsvolle Posaunen der Auferstehung und singt das Halleluja in den Grabkirchen, daß die Ueberschwellen beben. Und die Begräbnisplätze selbst, Gottesäcker sind sie, in denen ewige, goldene Aernten schlummern und nur des Gebotes warten, um hervorzubrechen aus den Bergungsorten; Schlafkammern sind sie voll balsamischen Schlummers, der eine Verheißung hat, in ein ewiges und ach wie seliges Wachen aufgelöst zu werden. Denn der Erstling unter denen, die schlafen, lebt ja schon und mit Ihm leben sie alle, die in Ihm gestorben sind und dem Leibe nach in der Erde ruhen.

 Doch harret! Noch ists Charfreitag, noch sind fast vierzig Stunden zu durchleben, ehe man das Halleluja des Ostermorgens singt, und so sehr auch unsre Herzen vorwärts eilen, wollen wir sie doch noch zurückhalten, um noch einmal ans Kreuz und ins Grab zu schauen und den Gedanken Seines Todes und Grabes recht ins Herz zu faßen und seiner voll zu werden.


 HErr meines Todes, meines Grabes, lehre mich Deinen Tod und Dein Grab bedenken, auf daß ich hinwiederum lehre. Weil Du verlaßen wurdest in Nacht und Grauen, sind wir gewis, Du werdest uns nie verlaßen noch versäumen. Seit Du ans Kreuz erhöht bist, ziehest Du die Herzen Deiner Auserwählten zu Dir und an Dich. Seit Du gestorben, ist der Tod für uns nichts mehr als eine segensvolle Veränderung für Leib und Seele, − die Sterbenden wißen es und freuen sich und betten sich gerne ins Grab, weil Du im Grab gelegen. Du theilst ihnen mit die Ruhe Deiner abgeschiedenen Seele und Deines heiligen Leichnams. Sie ruhen in Hoffnung und Du wirst sie auferwecken in der Auferweckung der Gerechten.

 Weil Du für mich verlaßen wurdest, so gib, daß ich ewig nicht von Dir weiche, nicht von Deiner Seite gehe. Daß ich Dich nicht verlaße, verlaß mich nie! Weil Du für mich gestorben, so gib mir Lust zu sterben und mache mich fröhlich in meiner Stunde. Weil Du so völlig mir gelebt hast und gestorben bist, so laß auch mich völlig Dein sein im Leben und Sterben. Weil Du meine Sünde getragen hast, so laß mich heilig leben. Bis ich im Grabe liege, laß mich Dir wohlgefällig wallen. Wenn ich entschlafe, laß mich Dir entschlafen. Meine Seele sei im Paradiese, wo die Deinige gewesen, mein Leib wie Deiner im Grabe. Am Tage der Auferstehung verwirf mich nicht und meine Freunde, mit denen ich auferstehen werde; am Tage des Gerichts beschirme mich vor ewigem Schrecken. Für Deinen Charfreitag laß mich Dir ewig danken. Amen.




Am Osterfeste.

Evang. Marc. 16, 1–8.

1. Und da der Sabbath vergangen war, kauften Maria Magdalena und Maria Jakobi und Salome Specerei auf daß sie kämen und salbeten Ihn. 2. Und sie kamen zum Grabe an einem Sabbather sehr frühe, da die Sonne aufgieng. 3. Und sie sprachen unter einander: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Thür? 4. Und sie sahen dahin und wurden gewahr, daß der Stein abgewälzt war, denn er war sehr groß. 5. Und sie giengen hinein in das Grab und sahen einen Jüngling zur rechten Hand sitzen, der hatte ein lang weiß

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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 177. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/188&oldid=- (Version vom 28.8.2016)