Seite:Wilhelm Löhe - Evangelien-Postille Aufl 3.pdf/168

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

alles Widerstandes nöthig war. Und da war nun freilich außer dem HErrn niemand, der helfen konnte, und Er ganz allein unter all den Samen Abrahams, zahllos, wie Sand am Meere, war es, dem man entgegen gehen, Kleider auf den Weg breiten, Palmen tragen und den Psalm singen konnte: „Gelobet sei, der da kommt im Namen des HErrn!“

 Die Palmen, welche man Ihm entgegenträgt, sind Palmen des großen Sieges, wenn gleich die noch nichts von Krieg und Sieg inne geworden waren, welche sie trugen. Die Kleider auf dem Wege waren königliche Ehrenbezeigungen, obschon Er noch nicht feierlich inthronisirt und eingesetzt war auf Seinem heiligen Berge Zion. All das Gepränge, das Lobgeschrei, die Psalmen, die Begeisterung: sie sind für Ihn nur eine tröstende Hinweisung und kleine Erinnerung an die unaussprechliche, königliche Ehre, welcher Er durch schweres Leid und großen Sieg bei Gott und in Seinen Himmeln entgegengieng; für die Welt sind sie eine zuerst unverstandene, jetzt aber von vielen nicht befolgte Anweisung, wie man Ihm ewig begegnen soll. − Er wirds thun, Er wird vollenden! So sagen wir in lebendiger Zurückversetzung unsrer Seelen in die Zeit Seines Einzugs, bis wir am Charfreitagnachmittage anbetend sprechen werden: „Er hats gethan! Es ist vollbracht!“ „Gelobet sei, der da kommt in dem Namen des HErrn!“ rufen wir heute, − und bereits beginnt sich in uns Stimm und Odem für das Lob und Halleluja zu sammeln, das wir nach wenigen Tagen dem Sieger singen werden, welcher der Welt Friede, Freude und ewiges Leben mit unwiderstehlicher Kraft bereitet! − − −

 Als die Juden den HErrn den Oelberg hinabführten, sangen sie Ihm ein Hosianna − und dieß Wort ist seitdem, meine geliebten Brüder, eines jener Worte geworden, welche aus der ebräischen Sprache in die Sprachen der ganzen Welt übergegangen sind, wie „Amen“, wie „Halleluja“. Hosianna ist aus Ps. 118, 25. genommen und heißt auf deutsch „HErr, hilf!“ Die Juden sangen also dem HErrn Christus bei Seinem Einzuge zu: „HErr, hilf! O HErr, laß wohl gelingen!“ Ganz dem entsprechend heißt unser Heiland in der Weißagung Zachariä, welche unser Text anführt, „ein Helfer,“ und zwar ein Helfer, dem geholfen ist, an dem also das Hosiannagebet in Erfüllung gegangen ist, noch ehe es erscholl. Und das wollen wir, liebe Brüder, nicht vergeßen, wenn wir den HErrn zu Seinem heißen Streit einziehen sehen. Die Juden singen Ihm Hosianna und die Himmel auch. Das meinen alle Creaturen, die nicht vom Satan verblendet sind, daß unserm HErrn JEsu zu Seinem Ziele geholfen werden soll − und Gott spricht Amen dazu. Zwar hilft Ihm kein Mensch; denn dem hilflosen Menschen zu helfen, ist Er ja selbst eingetroffen. Auch treten die heiligen Engel zurück, da es gilt, und nach jener Stärkung in Gethsemane, die wir nicht begreifen, werden wir bis zum Auferstehungsmorgen keinen Engel mehr gewahr. Selbst der Vater verläßt Ihn und trennt Sich, vom Heiligen der Heilige, der ewig Gute vom ewig Guten: ein Ereignis, wofür es keine Aufklärung gibt. Es läßt Ihn alles allein, − denn die weinende Jungfrau, der traurige Jünger unterm Kreuze, was wollen, was können die Ihm in Seinen Nöthen helfen? Aber doch ist Ihm geholfen! Denn Er ist Gott und Mensch, und die Fülle der Gottheit, welche in Ihm ist, macht Ihn dem Kampfe gewachsen und genugsam. Auch hat der Vater alles so gefügt und bereitet, daß der HErr, wenn Er nach Seinem Siege als ein Weizenkorn in die Erde fällt, zum Segen von Millionen am dritten Tage wieder auferstehen kann. So groß der Kampf ist, − es ist schon alles bereit, einen Sieger, wie Christus ward, zu empfangen. So schwer die Arbeit ist, es sind doch alle Umstände der Welt von der Art, und der Vater hat alles so geordnet, daß Seine Ersehenen nun bald den Lohn des großen Arbeiters JEsu zu ihrem Segen und Heile hinnehmen können. Gesegnet sei drum der Helfer, dem geholfen ist, dem wir nun in dieser Woche von Stund zu Stunde in die Leiden nachfolgen, durch welche Er zum Tode geht, und dabei die völlige Zuversicht haben, daß Er überwinden wird, daß Er nicht anders kann, als vollenden; denn Ihm ist geholfen. −


 Dem willigen, liebevollen, mächtigen, hilfreichen Helfer sei am Anfang der Gedächtniswoche Seiner Todesleiden Lob und Preis gesagt! Er, dem Sein Volk Hosianna gesungen hat, dem nun ewig geholfen ist, bereite uns durch Seinen Geist zum österlichen Halleluja! Und ein Gebet steige von uns zu Ihm auf in dieser Woche, ein Gebet, über dem wir, theure Brüder, eins werden wollen, wie uns der HErr befohlen hat, eins zu werden über allem, das wir bitten wollen. Er

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 157. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/168&oldid=- (Version vom 14.8.2016)