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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

heiligen Abendmahle ihren reichlichen Antheil. Sie dienen der Gemeinde zur Sättigung und erben selbst den Ueberfluß der Gemeinde, werden satt und fröhlich von alle dem Guten, welches der HErr Seinem Volke gibt.

 Damit Christi Leib und Blut, damit Er selbst uns zur unverweslichen und lebendigmachenden Speise werden möchte, hat Er gelitten, ist Er gestorben. Er ist in heißer Liebe, in heißen Flammen der Leiden und des Todes zur Speise der Menschheit zubereitet worden. Ohne Sein Leiden und Sterben wäre Er Gottes Brot für die Menschheit nicht; durch Sein Leiden ist Er das alles erst geworden. Erst mußte Er unsre Strafen büßen, unsern Tod und unsre gesammte Noth verschlingen, ehe Er uns ein Mittler der zukünftigen und himmlischen Güter werden konnte. Erst durch Seinen Sieg, durch Seine glorreiche Auferstehung ist Er auf den Berg erhoben, von wo aus Er in Wahrheit allen Millionen thun kann, was Er nach der Fülle Seiner Macht den Jüngern schon am Abend vor Seinem Tode gethan hatte, nemlich mit Sich, mit Seinem Leib und Blute zum ewigen Leben speisen und tränken.

 Viele Millionen stehen schon vor Seinem Throne, von Ihm zum ewigen Leben gespeist, Seiner, Seines Leibes und Blutes ewig froh. Und noch immer ist übrig für Millionen. Alle, die in die Welt gekommen sind, alle, die in die Welt kommen werden, sollen Seiner satt und ewig froh werden. Er ist reich für alle, noch reicht Er die gesegnete Speise Seinen Knechten und freut Sich, ohne Unterlaß zu sättigen, die durch die Wüste dieses Lebens ziehen. Das ist gut für uns und eine Freudenbotschaft. Wir sind so arm, so jämmerlich, so sehnsüchtig, so voll Noth und ungestillten Hungers − ohne Ihn, und mit Ihm sind wir so reich. Sind wir jung: es ist doch eine eitle Eitelkeit mit der Jugend, wenn ER, wenn Sein Leib und Blut uns nicht mit himmlischer, unverwelklicher Jugend speist. Nur wer Ihn hat, hat wahre Jugend; nur um Seine Altäre blüht wahrhaft frisches, balsamisches, heiliges Jugendleben. Sind wir alt, haben wir Lust und Leid genug erfahren, Ehren und Güter errungen: wir haben ein schales Leben hinter uns, einen bittern Tod und eine unbegreifliche, schreckenvolle Ewigkeit vor uns, wenn wir nicht Seiner satt und froh und in Seinem Abendmahle Seines Fleisches und Blutes werden. „Wer Sein Fleisch ißet und trinket Sein Blut, der wird nimmermehr sterben, der hat das ewige Leben, Christus ist in ihm, er ist in Christo“ − das sind Wahrheiten, die uns verjüngen, gleich dem Adler, wenn wir alt werden, und lebensfroh machen im Todesthal, nemlich froh des ewigen Lebens.

 Laßet uns beten, daß wir den Geschmack an dieser Welt verlieren, daß uns gallenbitter werde, was dieser Welt Kinder erquickt und erfreut. Fröhliche Weltverschmähung werde uns gegeben. Das Herz werde entleert von dem, was unrein ist, damit wir ewige Güter faßen können. Laßet uns beten, daß wir frei werden vom Ballast unsers Schiffes und mit anderer Fülle durch die Wogen gehen. Laßet uns beten, daß uns keine Feßel und kein Band mehr am Ufer des sündlichen Lebens festhalte. Laßt uns um Kraft und Stärke himmlischen Verlangens bitten, daß wir unsern Anker am jenseitigen Ufer und jenseits des Vorhangs einschlagen können. − Laßt uns beten, daß wir satt werden, wenn wir erwachen nach Seinem Bilde! Amen.




Am Sonntage Judica.

Evang. Joh. 8, 46–59.
46. Welcher unter euch kann Mich einer Sünde zeihen? So Ich euch aber die Wahrheit sage, warum glaubet ihr Mir nicht? 47. Wer von Gott ist, der höret Gottes Wort. Darum höret ihr nicht, denn ihr seid nicht von Gott. 48. Da antworteten die Juden und sprachen zu Ihm: Sagen wir nicht recht, daß Du ein Samariter bist und hast den Teufel? 49. JEsus antwortete: Ich habe keinen Teufel, sondern Ich ehre Meinen Vater und ihr unehret Mich. 50. Ich suche nicht Meine Ehre; es ist aber Einer, der sie suchet und richtet. 51. Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch: So jemand Mein Wort wird halten, der wird den Tod nicht sehen
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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 148. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/159&oldid=- (Version vom 28.8.2016)