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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

aus dem Hören ein Bewahren, aus dem Bewahren eine Bewährung, und die Seligkeit selbst des Lebens Ziel, Hauptsorge und erstes Geschäft wird! − Wie viele hören eine Weile, aber auf die Länge ertödet sie beim Hören des Wortes Langeweile, weil sie das Bewahren nicht verstehen! Wie viele bewähren sich eine Weile, dann aber fallen sie wieder ab! Wie viele empfanden schon die Seligkeit des Hörens und Bewahrens und verlieren sie dennoch wieder! Wie viele bewährten sich bis nahe ans Ende, aber doch nicht ganz bis ans Ende, so daß ihr Letztes dann doch noch ärger wurde, als ihr Erstes! Man sollte es genau und ernst und beharrlich und sehr geduldig nehmen mit dem Hören und Bewahren, weil so gar alles darauf ankommt! − Hören und Bewahren! Dahinein geht doch auch alles, darin liegt alles. Die ganze Heilsordnung, die ganze Ordnung des Streites im Heerlager der Christenheit, alles ist drin. Ohne Hören und Bewahren ist keine Berufung, keine Erleuchtung, kein Glaube, keine Heiligung, keine Erhaltung im rechten, einigen Glauben, keine Vollendung zum ewigen Leben. So nöthig das Predigtamt und seine Predigt, so gewis ohne es kein Anfang, kein Mittel, kein Ende des Glaubens und Lebens in Christo JEsu ist, so nutzlos ist es doch bei allen denen, die nicht hören und bewahren. Zwei müßen immer zusammen kommen, zusammen wollen, zusammen vollbringen, oder es wird nichts vollbracht und nichts gewonnen. Die zwei aber sind der Redende und der Hörende, der Gebende und der Nehmende, − und der Nehmende, der muß auch bewahren. Das wollen wir merken!

 So hörte, so bewahrte Maria, Gottes Mutter. An sie wohl dachte der HErr, als Er gegenüber der Seligpreisung des Weibes die Hörenden und Bewahrenden selig pries. Daß ihr Leib den HErrn getragen, daß Er ihre Brüste gesogen, war eine Seligkeit, die Maria mit keinem Weibe theilen konnte. Aber ein seliges Beispiel der Nachahmung, ein Vorbild auf dem Weg zum ewigen Leben war sie im Hören und Bewahren. Darin sollte das lobpreisende Weib Marias Nachfolgerin werden, darin sollen ihr alle Weiber, alle Seelen nachfolgen. Das will der HErr, und wenn das geschieht, dann ist der Zweck der Wunder erreicht, dann wird Beelzebub sammt allen Teufeln überwunden, dann mindert sich das Elend, dann mehrt sich das Glück, dann naht sich das ewige Leben, dann wird man selig! Darum helfe uns zu diesem Hören und Bewahren vor allem andern der gnädige und barmherzige HErr! Amen.




Am Sonntage Lätare.

Evang. Joh. 6, 1–15.
1. Darnach fuhr JEsus weg über das Meer an der Stadt Tiberias in Galiläa. 2. Und es zog Ihm viel Volks nach, darum, daß sie die Zeichen sahen, die Er an den Kranken that. 3. JEsus aber gieng hinauf auf einen Berg und setzte Sich daselbst mit Seinen Jüngern. 4. Es war aber nahe die Ostern, der Juden Fest. 5. Da hob JEsus Seine Augen auf und siehet, daß viel Volks zu Ihm kommt und spricht zu Philippo: Wo kaufen wir Brot, daß diese eßen? 6. (Das sagte Er aber, ihn zu versuchen, denn Er wußte wohl, was Er thun wollte.) 7. Philippus antwortete Ihm: Zwei hundert Pfenning werth Brots ist nicht genug unter sie, daß ein jeglicher unter ihnen ein wenig nehme. 8. Spricht zu Ihm einer Seiner Jünger, Andreas, der Bruder Simonis Petri: 9. Es ist ein Knabe hier, der hat fünf Gerstenbrote und zween Fische; aber was ist das unter so viele? 10. Jesus aber sprach: Schaffet, daß sich das Volk lagere. Es war aber viel Gras an dem Ort. Da lagerten sich bei fünf tausend Mann. 11. JEsus aber nahm die Brote, dankte und gab sie den Jüngern, die Jünger aber denen, die sich gelagert hatten: desselbigen gleichen auch von den Fischen, wie viel Er wollte. 12. Da sie aber satt waren, sprach Er zu Seinen Jüngern: Sammelt die übrigen Brocken,
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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 142. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/153&oldid=- (Version vom 28.8.2016)