Seite:Wilhelm Löhe - Evangelien-Postille Aufl 3.pdf/149

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

es sei nichts mit dem bösen Geisterreiche? Würde nicht unser HErr und Heiland JEsus Christus erst durch eine solche Antwort recht euer HErr JEsus geworden sein? Was antwortet ihr? Antwortet, was euch beliebt; aber das müßt ihr doch immer zugeben, daß Christus die Antwort nicht gegeben hat, sondern eine andere, völlig entgegengesetzte, eine solche, die Er unmöglich hätte geben können, wenn Er gedacht hätte wie ihr, welche selbst dann nicht möglich gewesen wäre, wenn Er Sich schlau in die Ansichten der Juden gefügt und, um sie für Sich zu gewinnen, die Lehre vom Satan noch eine Weile hätte stehen laßen wollen. Hätte Er Sich wirklich nur jüdischen Meinungen anbequemt, so hätte Er gewis nicht die Warnung vor dem siebenfach wiederkehrenden Teufel hinzugefügt, da sie unverlangt, unveranlaßt und unnöthig gewesen wäre. Aber weit entfernt, den Satan und sein Reich zu leugnen, gibt uns unser HErr in Seinen Worten fast eben so viele Beweise dafür, wie ganz und gar es mit der Lehre vom Satan und deßen Besitzungen und seinem ganzen Reiche seine volle Richtigkeit hat.

 Der HErr sagt erstens, es sei unmöglich, daß Er die Teufel durch Beelzebub austreibe, weil sonst des Satans Reich in sich selbst uneins und deshalb seinem Verfall und Sturz nahe sein müßte, da man doch wiße, was für ein einiger, zusammenhaltender Wille bei allem Haße, den sie untereinander haben, die Teufel zu einem Mittelpunkt und bösen Ziele treibe. Er sagt zweitens, die Juden selbst könnten Ihm um so weniger eine Verbindung mit Beelzebub zur Austreibung von Teufeln beimessen, weil sonst derselbe Vorwurf in vervielfachtem Gewichte auf das Haupt ihrer Kinder fallen würde. Denn unter diesen trieben manche ohne Wunder, auf andere, erklärliche Weise Teufel aus; da aber jeden Falls zwischen ihnen und dem Satan leichter ein Zusammenhang und Zusammenhalt angenommen werden konnte, als zwischen diesem und dem heiligen JEsus, so mußten ihre Teufelsaustreibungen in dem Maße verdächtiger werden, in welchem JEsu Heilungen verdächtigt waren. Recht erwogen, waren die zwei angeführten Gegengründe JEsu vollkommen hinreichend, die Verkehrtheit der jüdischen Anschuldigung und Lästerung bloß zu legen. Der HErr verwies sie aber doch auch noch drittens darauf, daß sie sich mit dergleichen haltlosen Einwendungen muthwilliger Weise selbst die Augen verblendeten, das kommende Reich Gottes und den Sieg des Heilandes ja nicht zu sehen. Denn jeden Falls wären Seine Teufelsaustreibungen durch Gottes Finger geschehen; mit ihnen selber wäre das Reich Gottes nahe gekommen, und auch sie bewiesen, daß Er der Stärkere wäre, der dem Starken in den Palast fallen und seinen Raub austheilen könnte. Solches sagte Christus unmittelbar zur Abwehr gegen die Lästerung Seiner Feinde. Dann aber wendete Er Sich vor allem Volke zu dem Geheilten und warnte ihn vor Sicherheit. Unsaubere Geister, welche einmal in Menschen gewesen und von ihnen ausgetrieben seien, hielten sich an wüsten Orten auf, voll Sehnsucht nach der verlaßenen Herberge und Behausung. Sie könnten sich nicht enthalten, auf Rückkehr zu denken; fänden sie dann den Menschen, aus welchem sie verjagt worden, sicher und ohne Hut, so nähmen sie sieben ärgere Geister zu sich, kämen wieder, bemächtigten sich des vorigen Aufenthaltes aufs neue, und dann sei das Letzte ärger denn das Erste. − Ueberlegt man diese Reden, so ergeben sich ganz offenbar folgende Sätze, welche ich euch absichtlich recht kurz und abgegränzt und, wie ich hoffe, behältlich genug und dem biblischen Worte getreu vortragen will:

Es gibt ein böses Geisterreich.
Die bösen Geister suchen ihre Ruhe im Menschen und glauben durch Besitzungen einige Erleichterung für ihre Qual zu finden.
Im Reiche des Teufels ist Zusammenhang, Plan und eine gewisse Einigkeit aller Bestrebungen. Alle teuflischen Besitzungen sind in den Plan miteingerechnet und werden eben deshalb von Teufeln nicht aufgehoben. Kein Teufel vertreibt den andern.
Die Teufel können mit und ohne Wunder ausgetrieben werden, denn JEsus vertreibt sie wunderbarlich, die Kinder der Juden ohne Wunder.
Ausgetriebene Teufel irren in Wüsteneien.
Sie suchen Rückkehr und tragen ein Verlangen darnach, den Menschen zu überfallen, aus dem sie weichen mußten.
Durch ihre Besitzungen suchen sie Ruhe für sich, für die Menschen aber Plage und Qual, sonst würden sie nicht in versiebenfachter Zahl wiederkehren.
Jede Besitzung ist etwas Arges, sonst würde nicht
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 138. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/149&oldid=- (Version vom 28.8.2016)