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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

lange von eigener Noth nicht frei werden, als sie fremde Noth wahrnehmen. Fremde Noth und eigene unterscheiden sich im Herzen der Heiligen nicht, Fürbitte und Bitte sind Unterscheidungen, welche der Beter nicht empfinden soll, welche aber der HErr in Gnaden ansieht und dem freudenvoll entgegenkommt, der betend diesen Unterschied vergißt. So hier. Diese Mutter ist gesunden Leibes krank, weil die Tochter krank ist. Für sich erfleht sie Hilfe. So heilt der HErr nun Mutter und Tochter zusammen, heilt in der Nähe die Mutter, die zu Seinen Füßen liegt, und in der Ferne die Tochter, − und Seine einfache Hilfe, so wie der Dank und die Ehre dafür wird verdoppelt dadurch, daß durch die mitleidende Liebe die Noth verdoppelt worden war.


 Gelobt sei unser HErr! Wie reich ist nun dieß Weiblein! Von Natur hatte sie Qual der Mutterliebe, vom Satan der Tochter Pein und damit eigene. Aber der Geist half ihr zu JEsu und damit war ihr geholfen.

 Eine Heidin war so gekrönt. Eine Heidin hatte über hartscheinende, die Heidin niederschmetternde Erklärungen des HErrn im Glauben gesiegt. Eine Heidin steht vor uns in Kraft und Segen und Sieg und Krone des Glaubens. Da sehen wir nun in einem einzelnen Beispiel, was St. Paulus öffentlich gelehrt hat, daß auch die Heiden Miterben sein und miteingeleibt werden sollen in den heiligen und seligen Leib des HErrn. Wir sehen es zu unserm Trost, und von uns gebührt dem HErrn dafür besonderer Dank und Preis. Denn auch wir sind, wenn auch nicht Canaans Kinder, doch Heiden und uns geschah und geschieht an Leib und Seele alle Tage, was dem Weiblein: wir erfinden unsern HErrn als aller Heiden Trost. Sein Geist lehrt auch uns zu Ihm beten, und Er selbst krönt uns dann mit gnädiger Erhörung. − So ist es und so sei es ferner. Dein heiliger Geist leite uns in allen Nöthen der Natur und des Teufels zu Dir, und Du sei allezeit unsre Hilfe, im Leben, in der Stunde des Abschieds und im jüngsten Gericht! Amen.




Am Sonntage Okuli.

Evang. Luc. 11, 14–28.
14. Und Er trieb einen Teufel aus, der war stumm. Und es geschah, da der Teufel ausfuhr, da redete der Stumme. Und das Volk verwunderte sich. 15. Etliche aber unter ihnen sprachen: Er treibt die Teufel aus durch Beelzebub, den Obersten der Teufel. 16. Die andern aber versuchten Ihn und begehreten ein Zeichen von Ihm vom Himmel. 17. Er aber vernahm ihre Gedanken und sprach zu ihnen: Ein jeglich Reich, so es mit ihm selbst uneins wird, das wird wüste, und ein Haus fällt über das andere. 13. Ist denn der Satanas auch mit ihm selbst uneins, wie will sein Reich bestehen? Dieweil ihr sagt, Ich treibe die Teufel aus durch Beelzebub. 19. So aber Ich die Teufel durch Beelzebub austreibe, durch wen treiben sie eure Kinder aus? Darum werden sie eure Richter sein. 20. So Ich aber durch Gottes Finger die Teufel austreibe, so kommt je das Reich Gottes zu euch. 21. Wenn ein starker Gewappneter seinen Palast bewahret, so bleibt das Seine mit Frieden. 22. Wenn aber ein Stärkerer über ihn kommt, und überwindet ihn, so nimmt er ihm seinen Harnisch, darauf er sich verließ, und theilt den Raub aus. 23. Wer nicht mit Mir ist, der ist wider Mich; und wer nicht mit Mir sammelt, der zerstreuet. 24. Wenn der unsaubere Geist von dem Menschen ausfähret, so durchwandelt er dürre Stätten, suchet Ruhe, und findet ihrer nicht. So spricht er: Ich will wieder umkehren in mein Haus, daraus ich gegangen bin. 25. Und wenn er kommt, so findet ers mit Besemen gekehret und geschmücket. 26. Dann gehet er hin und nimmt sieben Geister zu sich, die ärger sind denn er selbst; und wenn sie hinein kommen, wohnen sie da, und wird hernach mit demselbigen
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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/147&oldid=- (Version vom 28.8.2016)