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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

Schluß aus unserem Texte wäre. Dennoch aber wird auch von dem Waizen der Ausdruck „sammeln“ gebraucht, und auch für ihn gibt es ewige „Scheuern“, so daß man dennoch daraus auf eine reiche Versammlung von Heiligen an jenem großen Tage schließen darf und muß. Wenn sie nun alle leuchten werden: wem werden sie dann leuchten als einander, und wem wird dann an ihnen allen die Herrlichkeit Gottes offenbar werden, wenn ein jeder an dem andern, jeder an allen, alle an jedem die Offenbarung der richtenden und scheidenden Gnade und Wahrheit Gottes erkennen wird? Sie werden alle zu Gottes Ehren leuchten, aber auch alle einander zur Freude, in Liebe und aus Liebe und zur Offenbarung der Liebe. Das Haus Gottes wird von Sonnen erleuchtet sein ohne Zahl und die Gemeine der Heiligen − was für ein Strom des Lichtes und unaussprechlichsten Lebens um den Stuhl Gottes her wird sie sein!

 Und dann wird zwar Wechsel und Mannigfaltigkeit von ungeahnter Art den Himmel füllen; aber es wird kein Wechsel mehr sein zwischen Licht und Finsternis, keine Störung, keine Ungleichartigkeit, nichts was an ein Zusammensein von Waizen und Unkraut mehr erinnern könnte; sondern aus dem Gemisch des irdischen Lebens wird, wie aus dem Chaos der Schöpfung, der ewige Tag hervorgegangen sein und ferne von ihm wird die Finsternis und ihr Feuerofen und ihr Heulen und ihr Zähneklappen sein. Es wird geschieden sein ewiglich, was Gott nicht zusammengefügt hat, die Gemeinschaft der Heiligen und der Haufe der Verfluchten.


 „Wer Ohren hat zu hören, der höre!“ So schließt der HErr Seine Auslegung des Gleichnißes. Habt ihr Ohren, so höret, wie sichs am Ende scheidet, − und weil ihr wißet, daß der HErr die ewige Scheidung hinausgeschoben hat, auf daß Seine Geduld unsre Seligkeit werde; so bedenket zu dieser eurer Zeit, was zu eurem Frieden am großen Scheidungstage dienen wird. Es kann sein, daß noch viele Geschlechter zu Grabe gehen, bis der Tag erscheint; aber vergeßt nicht, daß vor dem Tode für einen jeden die Saat ist, die seis Wohl, seis Wehe für ewig trägt. Die Spanne Zeit entscheidet deine Ewigkeit. Drum scheide dich einstweilen selbst von allem Bösen und trachte vor allen Dingen nach dem Reiche Gottes und Seiner Gerechtigkeit und nach der Beständigkeit bis zum Tode, auf daß du angeschrieben und angezeichnet seiest unter denen, die von heiligen Engeln gesammelt werden in die ewigen Scheuern. Und wenn einer unter uns ist, des Name „Aergernis“ ist, oder der „Unrecht thut“, der stehe ab von dem bisherigen Lebensweg und eile, kehre ein zu den Kräften seiner Taufe und des Wortes Gottes und laße aus sich eine Aehre Gottes bereiten, die wie die Sonne leuchte in des Vaters Reich!

 HErr JEsu Christe, gedenke unser in Deinem Reiche! Amen.




Am sechsten Sonntage nach dem Erscheinungsfeste.

Evang. Matth. 17, 1–9.
1. Und nach sechs Tagen nahm JEsus zu Sich Petrum, und Jacobum, und Johannem, seinen Bruder, und führete sie beiseits auf einen hohen Berg. 2. Und ward verkläret vor ihnen, und Sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, und Seine Kleider wurden weiß als ein Licht. 3. Und siehe, da erschienen ihnen Moses und Elias, die redeten mit Ihm. 4. Petrus aber antwortete und sprach zu JEsu: HErr, hier ist gut sein; willst Du, so wollen wir hier drei Hütten machen. Dir eine, Mosi eine, und Elias eine. 5. Da er noch also redete, siehe, da überschattete sie eine lichte Wolke. Und siehe, eine Stimme aus der Wolke sprach. Dieß ist mein lieber Sohn, an welchem Ich Wohlgefallen habe, Den sollt ihr hören. 6. Da das die Jünger
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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 099. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/110&oldid=- (Version vom 28.8.2016)