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anderen, nennt das Gebiet zur Rechten am Ende selber ein Gebiet der Knechtschaft, das zur Linken allein eine Freiheit, und mißt alsdann dem allgemeinen Brauch auch das System an, wie ein Kleid. Es ist nicht meine Sache, deutlicher zu reden, ich habe weder Lust noch Zeit, mich auf Schriften, Personen und Einzelheiten einzulaßen; ich rede, weil ichs in diesem Fall nicht laßen kann noch darf, fühle, daß ich Vorwürfe mache, halte es aber dennoch für das beste, den Vorwurf einer unpraktischen, für die Seelsorge nicht passenden Einseitigkeit der herrschenden ethischen Anschauung vom Gebiete der Freiheit zu machen. Ich bin selbst ein Kind des 19. Jahrhunderts; ich kann mich auf keine Entsagung, auf keine Kasteiung verlaßen, weil ich mich niemals damit befaßt, und allezeit dieser Welt mehr gebraucht habe, als ichs loben kann. Ich bin nie in der Versuchung gewesen, den Weg zur Rechten über das Maß zu erheben. Aber ich Christ und ich Seelsorger weiß, daß beide Wege schriftmäßig und für das Leben je nach Umständen frei gegeben sind; ich schäme mich nicht für die Freiheit zur Rechten und zur Linken zu eifern, weil ichs brauche. Ich errichte kein Kloster, ich laße der Ehe und Ehelosigkeit wegen jedem seinen Willen, ich habe mich als Vorstand der hiesigen Diakonissenanstalt je und je geweigert, von den Diakonissen auch nur ein halbes Jahr oder ein Vierteljahr oder vier Wochen als ausbedungene Zeit des jungfräulichen Dienstes zu fordern; keine ist auch nur eine Stunde aufgehalten, ihren Stand zu ändern, wenn sie will, obwohl dieser Grundsatz dem Diakonissenhause schon