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manche es bis zu einer solchen hohen Meisterschaft der Gewalt über sich selber gebracht haben, und zu einer so großen und intensiven Spannung ihres gesammten inneren Lebens, daß es mich nicht Wunder nimmt, wenn von ihnen irgendwie die Creatur bewältigt wurde. Es wird kein Wunder sein, so wunderbar es sein wird, wenn dermaleins der Mensch die anerschaffene Macht über die Welt wiederbekommen wird; ebenso wenig ist es ein Wunder, wenn dieser Beruf und die in dem Menschen liegende verborgene Fähigkeit, der Creatur Meister zu werden, hie und da einmal hervortritt und ein paar Strahlen von dem Lichte zeigt, in welchem sie dermaleins wandeln wird. Mir ist es beim Lesen vieler wunderbaren Ereignisse im Leben alter und auch neuer Christen immer so gegangen, daß mich dünkte, ich müßte vieles unbekrittelt stehen laßen, ohne es deshalb ein Wunder zu nennen, oder es in dem Sinne für wunderbar auszugeben, wie die großen Thaten Jesu. Ich glaube von Herzen, daß „der Herr Wunder thut alleine“, obwohl ich auch gestehe, daß ich weder in der Schrift noch sonst Grund finde, die Hand des Herrn gegenwärtig für verkürzt zu halten, oder anzunehmen, daß der Brunnen Seiner Wunder ganz und gar versiegt sei. Ich behalte mir daher vor, in den Geschichten der Alten manches mit Stillschweigen zu übergehen, was als Wunder erzählt wird, für manches eine Erklärung gelten zu laßen, einiges auch anzuerkennen als Zeugnis der Mithilfe Gottes für seine Knechte und Mägde, ohne es den göttlichen Wundern gleich zu stellen, aber auch ohne andern zuzumuthen,