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nach allen Seiten hin gerechte und billige und wahre. Für den Vortheil, an meinem Theil dem Rationalismus in der Geschichtsbetrachtung gegenüber gestanden zu sein, laße ich mir ganz gerne sagen, daß ich auf der rechten Seite das wahre Maß so wenig gefunden habe, wie andere auf der linken.

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 Was insonderheit die Wunder anlangt, so werde ich die Wunder der nachapostolischen und späteren Zeit ebenso wenig denen Christi oder auch nur seiner Apostel gleich setzen wollen, als es mir gefällt, wenn Männer und Frauen der jetzigen Zeit, welche mit einem gewißen Maße der Gabe Kranke zu heilen betraut sind, ihre Heilungen denen Christi und Seiner Apostel zur Seite stellen und von den Leidenden Glauben fordern, wie der Heiland. Ebenso wenig aber wird es mir einfallen, alles zu läugnen, was das Alterthum eben so einmüthig erzählt, als die gegenwärtige Zeit einmüthig bemistraut. In meinen Augen ist nicht alles Wunderbare ein Wunder. Wenn Trajan durch Aufstellung seines Fußes heilte, oder Könige von Frankreich die königliche Krankheit wegnehmen konnten; so laße ich es ohne Bemerkung passieren, aber auch ohne hohe Verwunderung, geschweige daß ich es für ein Wunder sollte gelten laßen. Wenn zwei dasselbe thun, ist es nicht dasselbe, so sehr es auch scheine. Es gibt eine natürliche Kraft des Menschen über die Creatur und hie und da einmal auch eine Uebermacht des Geistes über die Leiblichkeit, die man wahr und wunderbar nennen kann, ohne daß sie ein Wunder ist. Eine solche Kraft findet sich bei Heiden, warum denn nicht auch bei Christen, unter denen doch