Seite:Wilhelm Löhe - Ein Conferenzvortrag in Betreff der Rosenmonate heiliger Frauen.pdf/14

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Kühnheit sein, wenn man das Urtheil vergangener Tage verläßt, obwohl man auch nicht läugnen kann, daß neuere Urtheile ebenso wohl irren können als frühere, und daß sich daher derjenige, der es wagt, anders zu urtheilen als seine Brüder, möglicher Weise zugleich durch Impietät gegen die Väter und gegen die Wahrheit versündigen kann. Ich finde es daher auch ganz in der Ordnung, wenn man es mit meinem historischen und kirchlichen Urtheil scharf nimmt; ich will es auch durchaus nicht anders, denn ich wünsche, daß der Wahrheit vor allen Dingen gedient werde, und habe in der That mit allem, was ich geschrieben habe, nichts anderes, als das im Sinn gehabt. Nur kann ich mich meines Urtheils nicht begeben, so lange ich mich nicht als überwunden erkennen kann; bis dahin aber scheint es noch gute Weile zu haben, weil man sich das Wahre, was in meiner Meinung liegt, noch zu wenig angeeignet hat, als daß man mir und andern von meines Gleichen in unserem Vorgehen Maß und Ziel setzen könnte. Es gehört mehr dazu, als der bloße Gegensatz und ein kräftiges Nein, wenn mein Urtheil im Ganzen und im Einzelnen fallen soll.

 Um nun deutlicher zu werden, will ich etwas eingehender sagen, was ich an dem gewöhnlichen historischen und kirchlichen Urtheil auszusetzen habe.

 An dem gewöhnlichen historischen Urtheil setze ich aus, daß Personen und Thatsachen so häufig im Parteisinn und Parteiinteresse aufgefaßt sind, und dadurch die Geschichte eine ganz andere Gestalt gewinnt, als sie nach den vorhandenen Quellen