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fußen, beibehalten und mit in die neue lutherische Zeit herübergenommen. Sie lebten noch in der Zeit, wo die Kalendernamen mehr sagten, als jetzt, wo man unter jedem Namen eine Person dachte und etwas von ihr wußte, und sie waren zu verständig, als daß sie das große Bildungsmittel, welches man im Kalender für das Volk besitzt, hätten wegwerfen mögen, ohne daß es doch in ihrer Macht gewesen wäre, etwas anderes und beßeres dafür zu geben. Die Kalenderlitteratur der lutherischen Kirche ist nicht so arm, als es denen scheint, die sich nie darum bekümmert und sie nie kennen gelernt haben; wer sie kennt, der sieht wohl, daß man den großen Schatz volksmäßiger Historie, welcher im Kalender vorliegt, in der That hoch und theuer gehalten hat, und ihn durchaus nicht vergraben oder aus dem Gedächtnis kommen laßen wollte. Man hat in der neuen Zeit mit Recht den Gedanken, Geschichte in Biographieen zu lehren, beglückwünscht; der Gedanke ist vortrefflich, aber neu ist er nicht, sondern die alte Kalenderlitteratur der lutherischen und anderer Kirchen ist die echt volksmäßige Ausprägung desselben, welche zugleich Maß und Ziel an Hand gibt. So wie der Kalender in seinem ersten Theile ganz richtig anzeigt, wie viel Himmelskunde in Schulen gelehrt werden sollte, so zeigen die Kalendernamen im zweiten deutlich an, wie viel aus der Geschichte der Kirche ins tägliche Leben der Schule und des Volkes übergehen sollte. Es kann keine schönere Vereinigung von Natur und Gnade geben, als den Kalender, so wie er uns überliefert ist, mit seinen Zeichen,