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strenge Lutheraner, der Streitheld seines Heeres, zu einer so neid- und harmlosen Freude und zu einer so großen Mildigkeit gegen Leute kommt, die er sonst als Feinde erkennt, gegen welche die Spitze vorzukehren sei. Am Ende des ersten Theils gibt er selbst Aufschluß. Er preist Gott, daß der Name Christi überall bekannt sei. Es werde freilich oft genug der gute Same unter vielen schlechten gemischt und so ausgestreut; aber er komme doch auch mit hinaus, und in den Missionen trete sogar bei Römern und Jesuiten mehr die Begier, Seelen zu erretten, hervor und sie predigten da oft der Wahrheit so nahe, und befolgten zuweilen eine so evangelische Weise, daß man sie in der Heimat dafür verketzern würde. Im Gewirre menschlicher Entstellungen gebe es doch überall noch Stücken Wahrheit, deren heller Glanz einfältige Seelen zum ewigen Leben erleuchten könne. Ueberall gebe es noch die Taufe, durch welche viele Tausende von Kindern, die in der Jugend sterben, Erben des ewigen Lebens würden, – überall noch die zehen Gebote, den Glauben, das Vater unser, die Psalmen, so manch andres Stück der h. Schrift etc. Dazu seien die Ohren der Hörer oft reiner, als die Lippen der Lehrer, und kurz, es sei doch in den meisten Kirchengesellschaften noch möglich, selig zu werden. Hoffnungslos sei keine Gegend, in welcher irgend eine der christlichen Gemeinschaften herberge.

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 Aus diesen Urtheilen erscheint nicht blos die große Mildigkeit und Gerechtigkeit unsers Standpunktes, sondern auch, welch ein weiter Begriff der sichtbaren Kirche unter uns angenommen sei. In diesem Sinne beantwortet Johannes Gerhard (LL. XXIII. C. VI. S. II.) sogar die Frage: „Ob die Ketzer zur Kirche gehören?“ mit einem Ja. Er behauptet es in einem gewissen Maße sogar von den hartnäckigen Ketzern. Selbst diese behielten oft etwas von der Kirche, nämlich die Taufe und irgend ein unverderbtes Stück des göttlichen Wortes. Man müße das Köstliche von dem Geringen, das Gold von den Stoppeln scheiden, dann bleibe es wahr, daß sogar durch das verderbte Predigtamt der Ketzer Gott, dem HErrn, Söhne und Töchter erzeugt würden (Ezech. 16, 20. 23, 37.). Bei den Ketzern sei die Bekehrung durch Wort und Taufe nicht dem Sauerteige ihrer Meinungen,