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Berufung nach Seinem eigenen Worte unmöglich ist. Bei dieser auf Gottes Wort beruhenden Lehre bedarf es natürlich in einzelnen Fällen keiner Aengstlichkeit, wenn etwa hie und da sich die Berufung nicht geschichtlich nachweisen läßt. Denn die Dogmatik ist über der Geschichte; die Geschichte aber, wenn sie uns in allen Fällen klar vorläge, würde der Dogmatik mit nichten widerstreben. Ja, so gewis nach Bacos Wort im Strome der Zeit das Beste untergegangen und nur das Geringere oben schwimmend geblieben ist; so gewis es ist, daß eine wahrhaftige und eingehende, genetische Darstellung der Geschichte im Ganzen und Großen eine unmögliche Sache ist; so gewis ist es doch auch, daß jener dogmatischen, aber damit nicht unbiblischen, im Gegentheil in Gottes Wort festbegründeten Behauptung einer katholischen Berufung viel geschichtliche Bestätigung zu Statten kommen würde, so wie man nur einmal zum Thema gründlicher Forschung in den Annalen der Vorzeit den Satz machen möchte:

Wie kann den verschiedenen Völkern aller Zeiten eine (gleichviel directe oder indirecte) Berufung zur Kirche zugekommen sein?

Denn mehr als nachgewiesene Möglichkeit bedarf man nicht, um die dogmatische Behauptung einer katholischen Berufung zu Christo geschichtlich nachgewiesen zu erkennen.

 Es ist erstaunlich, wie viel in der Lehre von der Kirche und ihrer Bewegung (Mission) auf die Lehre von der allgemeinen Gnade in ihrer bewußten Faßung ankommt, – und wie sich an eine prädestinatianische oder irgend wie, sei’s auch nur geschichtlich, der prädestinatianischen verwandte Richtung eine so ganz verschiedene Beantwortung kirchlicher Fragen hängt. Zwei Beispiele mögen zu eigener, weiterer Ueberlegung Anlaß geben.

 Röm. 10. ist von dem Berufe aller Völker die Rede und der Apostel ruft v. 18. aus: „Ich sage aber: Haben sie es (das Wort Gottes) nicht gehört? Zwar es ist ja in alle Lande ausgegangen ihr Schall, und in alle Welt ihre Worte.“ Aehnlich versichert derselbe Apostel der Heiden Col. 1, 23. „Das Evangelium ist gepredigt unter aller Creatur, die unter dem Himmel ist.“ Während man nun von der einen Seite diesen einfachen Aussprüchen der Schrift die Frage entgegenstellt: