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Hat Gott gesorgt, daß je und je alle Menschen berufen wurden von der Finsternis zum Lichte, – von der Gewalt des Satans zu Gott?“

 Diese Frage richtig zu beantworten, weisen wir auf die verschiedenen Lehren von der Gnade hin. Denn je nachdem diese sind, je nachdem fällt die Antwort aus. Die Einen sagen: Aus der großen Masse der sündigen Menschheit hat Gott nach seinem unausforschlichen Rathe eine gewisse Anzahl zum ewigen Leben bestimmt, und die Er vorher erwählt und bestimmt hat, die hat er berufen und erleuchtet etc. Es ist dieß die Lehre von der Prädestination. Dieser Lehre gemäs kann man rücksichtlich der allgemeinen Berufung ganz ruhig und unbekümmert sein. Sie kann ohne allgemeine Berufung bestehen; ja die Consequenz derselben leuchtet nur desto heller, wenn es keine allgemeine Berufung gibt. Die zum ewigen Leben Prädestinierten werden berufen; die nicht zum ewigen Leben berufen werden, sind zum ewigen Leben nicht prädestiniert. Die allgemeine Kirche ist die Versammlung der Prädestinierten; wer nicht prädestiniert ist, geht nach gerechtem Gerichte Gottes verloren. – Diese Lehre könnte allen Eifer, die Völker mit dem Evangelium Gottes bekannt zu machen, lähmen.

 Gegenüber dieser Lehre steht die Lehre von der allgemeinen Gnade Gottes, wie sie in unserer Kirche gelehrt wird. Gott will, daß allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Sein Wille ist, wie es Seiner nicht anders würdig ist, vollkommener Ernst. Darum mußte Christus eine Versöhnung für unsere Sünden stiften, nicht allein aber für unsere Sünden, sondern für der ganzen Welt Sünde. Und eben darum müßen auch die Mittel, dieser Versöhnung theilhaftig zu machen, der ganzen Welt kund werden, – oder, was dasselbe ist, Wort und Sacrament, müßen allen Menschen kund werden, wie der HErr auch spricht: „Also ist es geschrieben, und also mußte Christus leiden, und auferstehen von den Todten am dritten Tage, und predigen laßen in Seinem Namen Buße und Vergebung der Sünden unter allen Völkern und anheben zu Jerusalem.“ Luc. 24, 46. f. Kein Mensch sollte um seiner Sünde willen, die er am Gesetz gethan, verloren gehen, denn die sind gebüßt; kein Mensch sollte