Seite:Wilhelm Löhe - Drei Bücher von der Kirche.pdf/41

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

ganz anderer Weise, als der Hauch der Lippen, das mündliche Wort. Darum starb die Tradition, die uns hätte nützen können, aus, – der Menschen Untreue tödete die Ueberlieferung, in Verdrehung und Lüge schuldiger und schwacher Lippen gieng der reine Hauch apostolischer Lippen unter. Aber das Wort ist geblieben. Hell und klar, unzweideutig und fest leuchtet es in der Nacht der Welt! Da findet jeder Wahrheit: der arme Laie und der fromme Theologe! Einer bestätigt dem andern den uralten, goldenen Fund. Alle werden durch sie erleuchtet und alle durch sie gesättigt und geheiligt, die einfältig, demütig, betend lesen! Auch bezeugen es alle wahrhaftigen Leser und Beter, daß die Schrift keiner Tradition zur Erklärung der Dunkelheiten bedarf; daß die Kirche ohne Tradition von dem Worte lebt, das aus Gottes Mund gieng, wie sie einst mit ihr gelebt hat; daß sie zu ihrer Sammlung und zu ihrer Wallfahrt gen Zion kein Licht nöthig hat, als das, welches ihr Gott gegeben hat, das Licht der Schrift, bei dem man auch die Väter nicht bedarf, wohl aber sie liebet als des gleichen Lichtes Kinder!

 Der Herr erhalte uns Sein Wort und uns bei Seinem Worte!

 Dann sind auch wir gewislich Kinder der Kirche!


9. Das helle Wort beruft alle Völker.


 Das apostolische Wort ist klar, – und die Kirche, welche sich ums Wort als um ihren Mittelpunkt bewegt, ist eine aus allen Völkern aller Zeiten gesammelte Schaar. Das erkennen wir. Aber leicht erhebt sich hier die Frage, schüchtern zwar, denn man ahnt etwas Unrechtes an ihr, aber doch erhebt sie sich: „Ist denn auch dies klare Wort zu allen Völkern aller Zeiten ausgegangen? Hat es denn wirklich nicht an Gelegenheiten für alle Völker aller Zeiten gefehlt, das Wort kennen zu lernen? Konnten denn alle Völker aus dem Worte zu Kindern und Stämmen der Kirche geboren werden? Das Wort ist’s, welches alle Gesammelten zu Einem heiligen Ganzen vereinigt und sie zusammenhält; es muß aber auch auf das Sammeln ausgehen, auf das Berufen und Erleuchten. Ist denn nun das auch je und je geschehen?