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Kirche den Nachkommen Zeugnis für den apostolischen Ursprung des neuen Testamentes hinterlaßen habe. Sie konnte zeugen und zeugte, und ihr menschliches Zeugnis konnte allerdings der Schrift ein menschliches Vertrauen erwecken, gleichwie die Unterschrift und das Siegel eines Notars oder Gerichts das Testament eines Entschlafenen außer Zweifel setzt. Aber die Schrift hat göttliches Ansehen, und dies konnte sie von dem menschlichen Zeugnisse der Kirche nicht empfangen. Die göttliche Abkunft der Schriften N. Testamentes ist ihnen an der Stirne zu lesen und zeichnet sie vor allen andern Schriften der Welt so unverkennbar aus, daß man es nur aus menschlicher Beschränktheit und zufälligen Umständen erklären kann, wenn in der ersten Zeit über das göttliche Ansehen mancher unter ihnen gestritten wurde. Diese Schriften haben ihr Zeugnis in sich und strahlen es mit Kräften der zukünftigen Welt aus sich heraus. Sie haben dies Zeugnis alle, so verschieden sie auch untereinander durch menschliche und merkliche Individualität der heiligen Schreiber sind. Dagegen können auch so manche gepriesene Schriften des Altertums ihre menschliche Abkunft nicht verläugnen, und alle Bemühungen, ihnen das Ansehen göttlicher Schriften zu verschaffen, hat nicht ausgereicht, weil sie dies Ansehen nicht von innen heraus offenbarten. Wie schön ist z. B. der Brief des h. Barnabas, der in der Schrift selbst den Namen eines Apostels trägt. Warum sollte ihn Barnabas nicht geschrieben haben können, zumal er kein Merkmal hat, vermöge dessen man ihn einer späteren, als der apostol. Zeit zueignen müßte. Und doch verschwand er fast im Lauf der Geschichte, – und obschon man ihn gegenwärtig wieder lesen kann, verschwindet er dennoch auch jetzt noch vor den apostol. Schriften. Ohne daß man den Brief eines Fehlers zeihen könnte (man müßte denn die allegorischen Stellen zu scharf nehmen!) begreift man dennoch leicht, warum er nicht in den Canon aufgenommen wurde. Die Kirche wurde bei dieser Sammlung des Canons Neuen Testaments von dem göttlichen Ansehen der Schrift überwältigt, und in ihrem Zeugnis gab sie nur den Eindruck wieder, den Gottes- und Menschenwort auf sie machen mußte, wie das noch jetzt also ist. Der Canon würde noch heute nicht anders