Seite:Wilhelm Löhe - Drei Bücher von der Kirche.pdf/28

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

geschrieben, um verstanden, oder um nicht verstanden zu werden?“ Jedermann wird den ersten Fall bejahen, da sie doch offenbar für die Menschen und zu ihrem Heile geschrieben ist. Ist aber das der Fall, so wäre es nur auf zweierlei Weise zu erklären, wenn die Schrift dennoch dunkel und unverständlich wäre. Nämlich der h. Geist müßte die verständliche, für Menschen klare Rede entweder nicht haben finden können, oder nicht haben finden wollen. Das letztere ist eine eben so unsinnige, als gottlose Behauptung, nachdem zugegeben ist, daß Er für die Menschen schrieb und um von ihnen verstanden zu werden. Das erstere ist eine Gotteslästerung und wie jede Gotteslästerung gleichfalls Unsinn. Sollte Der, welcher aller Welt Rede und Sprache gegeben hat, nicht haben reden können? ER, der in alle Wahrheit leitet, dessen Wort doch Zeugnis hat, daß es die Albernen weise machen könne und weise mache, ER, der, wenn wir nicht wißen, was wir beten sollen, unser Seufzen deutet und uns vertritt mit unaussprechlichem Seufzen, – ER sollte, da Er doch wollte, die Worte nicht haben finden können, welche Seine Hörer und Leser verstehen können? Schreibt auch jemand einen Brief, um nicht verstanden zu werden? Gebraucht auch ein Weiser und Frommer in Briefen, die er zu seiner Freunde Heil schreibt, Worte, an denen man sich fruchtlos zerlesen müßte? Und der HErr, der h. Geist, hätte an die Römer, die Corinther, die Galater, die Epheser, die Philipper, die Colosser, die Thessalonicher so viele Briefe geschrieben, die nicht verstanden werden konnten, und zu deren Deutung sie keinen Papst zur Seite hatten? die zu nichts gedient hätten, als die armen Leute in Verlegenheit zu setzen, ja in Bangigkeit, in Furcht und Schrecken, da sie ja des Apostels und des Geistes Willen nicht verstanden hätten und eben deshalb auch nicht hätten ausführen können? – Und den Briefen gleich wäre dann die ganze Bibel, deren Schreibweise noch überdies von Alters her wegen ihrer Einfalt so allgemein berühmt ist! – Welch ein Geschwätz!

.

 Es ist wahr, daß das Alte Testament der Auslegung bedarf und ohne Auslegung vielfach dunkel ist. Aber die Auslegung ist ja da: das Neue Testament ist ja die Auslegung des Alten, und indem es