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Wortes recht bekannt, dem Gedächtnis, der Anschauung, dem Wohlgefallen, dem innersten Wesen seiner Zuhörer recht nahe zu bringen. Auch er verwirft die Gefühle der Menschen nicht, aber er erregt sie durch stilles Vorhalten des himmlischen Lichtes, oder vielmehr, er läßt dieß Licht leuchten und weiß dann gewis, daß mit dem Strahle auch Wärme ausgeht. Seine Schlagworte sind nicht „erwecken“ u. dgl., sondern jene Worte der Schrift, welche auf das allmähliche, stille Zunehmen des göttlichen Senfkorns deuten. Sein Dringen und Nöthigen ist nicht das Dringen und Nöthigen menschlicher Ungeduld, sondern das geduldige Ausharren bei dem Worte. Er wartet gerne und weiß, daß die köstlichen Früchte nicht über Nacht wachsen, und wartet auf alle seine Schafe, denn er weiß, daß der HErr Seine Stunden, Sein Eilen, aber auch Sein Verweilen hat.

 Der Prediger der Kirche ist also kein Freund der „neuen Maßregeln“, mit den Methodisten zu reden, sondern er bleibt bei den alten Maßregeln des geduldigen, treuen Anhaltens am Wort und an der reinen Lehre.

 Derselbe Geist ruhiger, sicherer, vorsichts- und zuversichtsvoller Weisheit regiert ihn bei der Wahl seiner Texte. Er freut sich der altherkömmlichen Pericopen und würde, auch wenn er dürfte, nicht gerne anstatt ihrer freie Texte oder fortlaufende Stücke der h. Schrift seinen Vorträgen in den Hauptgottesdiensten zu Grunde legen. Er behält wohl am liebsten die Evangelien für den Hauptgottesdienst, läßt die Episteln an ihrer Stelle in der Ordnung des Gottesdienstes und wird nicht müde, über die Evangelien zu predigen. Gleichwie sie das Volk am liebsten hört, so werden sie auch ihm immer voller und reicher, je öfter er darüber spricht. Er lernt, je länger er sie behandelt, die große Predigerweisheit, dem Unbekannten Eingang durch das Bekannte zu verschaffen und alle Lehren der Kirche an den allbekannten Texten zu zeigen. Wer alljährlich mit dem Texte wechselt, taugt nicht zum Prediger des Volkes, ja, man darf wohl sagen, der Kirche. Das immer Andere und Neue ohne Anschluß an die bekannten Texte geht allen und überall schwerer ein, leicht und gerne aber nimmt jeder