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nichts Maß- und Haltloseres, nichts Leidenschaftlicheres gab es damals, als einen schlesischen Lutheraner; ein solcher hatte nicht Fehler, wie alle Menschen, sondern mehr als andere, – und die wahren und erlogenen Fehler wendete man zum hinkenden Beweis an, daß es nichts sein müße mit der schlesischen Bewegung. Nichts desto weniger brachte das laute Zeugnis der Schlesier viele andere zur Besinnung, und daß heute bereits vom Norden bis in den tiefen Süden Deutschlands eine einige, nur durch Bekenntnis, aber um des Bekenntnisses willen und durch das Bekenntnis in allen Stücken einige Schaar steht und treulich zeugt, wer weiß, ob das alles nicht doch ein Wehen ist, welches in Schlesien aufbrach? Es wird an jenem großen Tage alle Auferstandenen verwundern, an wie verachteten, unscheinbaren Orten die Anfangs- und Ausgangspunkte, die Ursachen und Anläße zu Gottes großen Werken gefunden werden!

 Darum lebe das Zeugnis der h. Kirche, durch welches der HErr seine Heerde unirt! Der Eifer des HErrn wirds thun! Sein Weg wird hoch über den Siechbetten gehen, auf welche Unionsfieber und Liebesphantasieen die Träumer und Seher des Tages hingestreckt hat. Oder meinst du, es müße gehen, wie die Kranken fabeln? Es geht nicht so, du wirst es erkennen! Aber Seine Heerde wird vereinigt werden zu der Wahrheit, und es wird dann gleichviel sein, ob diese Heerde „lutherisch“ gescholten oder anerkannt war als das, was sie ist, als das Salz der Erde, als das Feuer auf dem Berge, als die priesterliche Schaar, welche die Lade trägt und des Tempels hütet, als die wahre, reine Kirche unter vielen!


4. Sie soll sein ein Segen der Heiden.


 Das größte Kleinod der lutherischen Kirche ist die reine Lehre, die aus dem reinen Bekenntnis fließt. Vermöge dieser reinen Lehre ist sie gewesen und ist sie noch der Mittelpunkt und Heerd des lichten Kreißes, welcher Christenheit genannt wird. An ihrem Zeugnis hat sich seit drei Jahrhunderten die Lehre aller Confessionen und ihr Leben irgendwie