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 Wer wollte sie tadeln? wer nicht ihr gutes Recht erkennen? Kühnlich behauptet, was Wahrheit ist! Die uralte reine Kirche des Abendlandes lebt da, wo die uralte, reine Lehre der uralten, reinen Kirche gepredigt wird. Alles ist unser, es sei Christus, oder Paulus, oder Petrus, es sei Linus oder Anacletus oder Clemens, es sei Cyprianus oder Augustinus. Die Zeugenwolke des Altertums ist herüber zu uns gekommen. Bei uns ist ihre Erkenntnis, ihre Weisheit, ihr Friede, ihre Freude, ihre Stärke, ihre Geduld, – und gelobt sei dafür der HErr!


2. Ihre Reformation ist theils vollendet, theils unvollendet.


 Sie ist vollendet in der Lehre, sie ist unvollendet in den Folgen der Lehre. In diesen kurzen Satz kann man wol die ganze Antwort auf unsere Frage zusammenfaßen.

 Die Lehre ist vollendet. Es ist keine Frage, daß namentlich nach dem Tode Martin Luthers viel Streit unter den Bekennern der reinen Lehre selbst sich erhoben hat, und daß diese im Streite manche Verschuldung auf sich luden und übles Beispiel gaben. Aber man vergeße nicht, daß gerade wie bei den Streitigkeiten der ersten Jahrhunderte unter dem Staube, welchen die Menschen im Streite machten, eine süße Frucht der Gerechtigkeit und des Friedens gewonnen wurde. Die reine, lichte, gerechte und doch milde Lehre der mit höchstem Unrecht verlästerten Concordienformel gieng aus diesem Streite hervor. Es ist traurig, wenn Historiker, die vor allen Dingen gerecht sein sollten, vor lauter ungerechtem Ekel an den kleinen Kleinlichkeiten, welcher sich unsre Streiter im Streite schuldig machten, unfähig werden, die Streitpunkte und den Streit selber kennen zu lernen, – wenn Leute, wie z. B. Kohlrausch in seiner vielgelesenen deutschen Geschichte, gegen die Römischen gerechter sich erweisen, als gegen die Theologen der eigenen oder doch verwandteren Kirche, welchen auch diejenigen, denen ihre Art widerwärtig ist, Dank schuldig sind! Wahrlich, die Zeit von Luthers Tode bis zur Abfaßung der Concordienformel und des Concordienbuches