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denen bereitet hat, die Ihn lieb haben. Ich weiß es, daß mir die Verheißung ewigen Lebens unbegriffener ist, als Adam die Drohung des Todes trotz dem, daß er in seiner Natur für den Tod noch nichts Verwandtes hatte, während ich dem Leben schon verwandt bin und seine Erstlinge genieße. Ich weiß, was ich zu sagen wage, aber ich wage es doch: „Eine ewige Seligkeit, ein unermeßlicher Freudenhimmel, und darin Einer, nur Einer, seis auch ich selber! Nein! Alleine möchte ich nicht einmal selig sein!“

 Zwar spricht David: „Wenn ich nur Dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde.“ Im Jammerthale der Welt, ja im dunkeln Thale des Todes behauptet er, an Seinem Gott genug zu haben. Und man könnte deshalb sagen: „Sollte einer nicht im himmlischen Paradiese um so viel mehr genug haben, wenn er nur seinen Gott hat? Ist nicht völlig selig, wer des Anschauens Gottes genießt und einsam ist mit Ihm?“ So könnte man sagen. Aber dennoch bleibe ich bei meiner Behauptung. Ja, ich will den Einwand selber steigern, um dann doch nur meine Behauptung zu steigern.

 Ich will den Einwand steigern. Es ist ein seltenes Erdenglück, mit Christo eine Stunde so ganz allein zu sein, daß alle Gedanken, alle Begierden, alle Freuden der Seele in Ihm ungestört ruhen, und uns ER, nur ER gegenwärtig ist. Wie mancher lebt, der nie eine solche Stunde, nie eine halbe, nie eine Viertelstunde gefunden hat. Immer verfolgt ihn sein eigenes Ich; nimmer verläßt ihn die Manchfaltigkeit der Welt; er wird seines Daseins nicht los, und die Freude des Alleinseins mit Gott, um die er betet, bleibt ihm ein unerreichtes Ziel. – Wenn nun einer Seele nach so vielen Kämpfen, der Welt und ihres eigenen Schattens und Gedankens los zu werden, endlich der Sieg, und durch bittre Todesstunden der Eingang zum ewigen Leben gelingt, und Der erscheint, „den diese Seele liebte, noch eh sie Ihn gesehn,“ wenn Er sie an seine Brust nimmt und sie Sein genießt von Ewigkeit zu Ewigkeit: sollte einer solchen Seele noch etwas fehlen, sollte sie nicht vollkommen selig sein?

 Ich habe den Einwand gesteigert – und wiederhole dennoch meine