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der reinen Lehre ist eitel und ohne Werth. 5. Mos. 13, 1–5. Ferner eine auf pur menschlichen Gründen beruhende oder überhaupt von dem heil. Geiste nicht stammende, wenn auch noch so richtige Conjectur und Wahrsagung ist nicht Weißagung; so wie auch eine Bileamitische (4. Mos. 24.) oder Caiphas’sche (Joh. 11, 51.) Weißagung nichts für den Mann beweist, von dem sie kommt. Man hat sich daher mit den Weißagungen eben so in Acht zu nehmen, wie mit den Wundern, und fest darauf zu halten, daß alle Weißagung dem uralten Glauben der Kirche ähnlich sein müße. Röm. 12, 7.

 Bei diesem Unterschiede, welcher unter den Wundern und Weißagungen zu machen ist, erhellt es, daß sie keine Kennzeichen der Kirche sein können. Sie bedürfen erst der Sichtung und eines Kriteriums, welches eben in dem reinen Worte und dem wortgemäßen Bekenntnis der Kirche liegt. Sie legen kein klares Zeugnis ab; sie fordern ihrer Natur nach zur Prüfung auf, – und das um so mehr, als die Kirche diese ungewissen Zeugnisse nicht einmal alleine hat, sondern Ketzer, Heiden und der Antichristus sich derselben auch rühmen und rühmen werden.

 Uebrigens ist nicht abzusehen, warum sich unsere Gegner so gerne der Wunder rühmen. Die Wunder, welche in den ersten Jahrhunderten geschahen, geschahen nicht zu Gunsten der römischen Kirche – und wenn bei den Missionen späterer Zeiten sich wunderbares ereignet hat, war es ja wieder nicht zu Gunsten römischer Irrlehren. Kam aber unter dem Tone einer der Schrift widersprechenden Lehre wirklich wunderbares vor; so entbehrt es ja des göttlichen Ursprungs, da Gott dem Irrtum nicht durch Wunder zum Siege hilft. Und die neueren Zeiten, welcher Wunder könnten sie sich zu Gunsten der römischen Kirche rühmen? Wunder, wie sie ein Ratisbonne erfuhr, sind wahrlich ohne Mühe zu erklären, auch wenn sie nicht durch Bilderdienst gerichtet erscheinen. Und Wunder, wie sie der etwa heilige Rock von Trier thut, vermag auch eine einfache, dem nervenschwachen Geschlechte der Zeit imponirende Persönlichkeit – sei sie jüdisch oder muhamedanisch oder heidnisch – hervorzubringen. Wie viele Dinge dieser Art sollte man wol, wenn daran gelegen wäre, bei uns zu Tage fördern können!