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4.
Bei Prüfung deiner selbst gedenk der Unterlassungssünden!

 Bei einer solchen Prüfung seiner selbst kommt viel darauf an, daß man die Unterlassungssünden für nicht minder groß ansehe, als die Begehungssünden. Unterlassungssünden sündigen gegen die Gebote, Begehungssünden gegen die Verbote Gottes. Es sind freilich unter den 10 Geboten dem Buchstaben nach nur 2 Gebote (das dritte und vierte), und daher könnte einer auf den Gedanken kommen, es gebe auch viel weniger Unterlassungs- als Begehungssünden. Allein genau genommen liegt in jedem Verbote ein Gebot, und in jedem Gebote ein Verbot, wie denn auch Luther in Auslegung eines jeden von den 10 Geboten nicht bloß angiebt, was verboten ist und was man also nicht thun soll, sondern auch, was geboten ist und was man also auch thun soll. Da nun auf diese Weise im Gesetze Gottes eben so viel Gebote als Verbote, und eben so viel Verbote als Gebote enthalten sind, so giebt es gewiß gegen die Gebote Gottes eben so viel, ja wohl mehr Unterlassungssünden, als es gegen die Verbote Begehungssünden giebt. Mit Bedacht rede ich von mehr Unterlassungs- als Begehungssünden; denn der Mensch nimmt die Gebote weniger in acht, als die Verbote, und meint alles gethan zu haben, wenn er nur kein Verbot übertreten hat. Und doch ist eine Unterlassungssünde bei Gott so groß, als

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Wilhelm Löhe: Einfältiger Beichtunterricht für Christen evangelisch-lutherischen Bekenntnisses. Kommissionsverlag der Buchhandlung der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1900, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Beichtunterricht_(4._Auflage).pdf/12&oldid=- (Version vom 17.7.2016)