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steht die heilige Taufe, die wir gestern das sonderliche Sakrament des Geistes genannt haben; das ist die erste Liebestat Gottes, die an uns geschieht auf dem geistlichen Gebiet, so wie die leibliche Geburt die erste Wohltat Gottes und das Grundlegende auf dem natürlichen Gebiet ist, wofür wir auch Gott vielmehr danken sollen, wofür zu danken wir durch manches Gebet angeleitet werden: ich danke dir, daß du mich nach deinem Ebenbild erschaffen hast. So ist die Taufe, die erste Liebestat Gottes an uns auf dem geistlichen Gebiet, das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des heiligen Geistes. Die Taufe ist wirksam und kräftig an sich, weil sie eine Tat des dreieinigen Gottes an uns ist und sie ist wirksam auch ohne Glauben; nur ohne den Glauben kann sie uns nichts nützen. Aber den Anfang des Glaubens wirkt sie selbst schon in uns, wie wir schon wiederholt betont haben, daß den kleinen Kindern auch in der Taufe die Gabe des Glaubens geschenkt wird. So faßt es wenigstens Luther aufs Bestimmteste auf, wenn er sagt: „Mein Glaube und der Christenheit Glaube bringt das Kind herzu, daß Gott ihm gebe seinen eigenen Glauben.“ Auch Melanchthon spricht von neuen Bewegungen, die in der Kindesseele in der Taufe durch den Geist hervorgebracht werden und der auf der Kinderstufe, der Stufe des unbewußten Seins, wie wir sagen möchten, von Gott dem Glauben gleich geachtet werden. Aber dieser noch unbewußte Glaube muß zum bewußten Glauben erweckt werden. Die Wege Gottes, die er mit den einzelnen geht, sind sehr verschieden. Luk. 9 am Schluß des Kapitels werden uns einige merkwürdige Beispiele solcher erzählt, die sich zu Jesu hinzufanden oder von ihm berufen wurden. Wie verschieden die gewesen sind an Anlage und Temperament – einige überaus freudig und entschlossen, andere dagegen zögernd hinter sich schauend –, der Herr gibt ihnen allen dieselbe Weisung, ob auch auf verschiedene Art, daß sie alles hinter sich lassen müssen, was sie aufhalten könnte. Den Begeisterten zeigt er die Schwierigkeit, denen die Einwendungen haben und Bedenken tragen, zeigt er die Notwendigkeit völliger Entschiedenheit. Die Menschen sind also ihrer Anlage nach auch in Beziehung auf die Erfassung des Heils sehr verschieden. Es gibt manche, deren natürliche Art dem Werk der Gnade besonders viel Hindernisse entgegenstellt; es gibt andere, die gleichsam von Natur nicht fern sind vom Reiche Gottes. Die Gnade aber gleicht diesen Unterschied aus. Wie verschieden sind nun die Wege, die Gott die einzelnen zu Christo führt. Das können wir aus dem Beispiel der zu Christo berufenen Jünger sehen. Die einen sind solche wie Nathanael, die innerlich schon viel erlebt haben; andere werden von ihm gesucht wie Philippus oder später Matthäus von Christo selbst rasch und unmittelbar, dieser vom Zoll weg, aus dem Weltwesen heraus berufen durch seine eigene freundliche Einladung: Komm und folge