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während dieser Tätigkeit seines Amtes erlitten! In Armut ging er einher, so daß er auch von den Liebesgaben derer lebte, die ihn lieb hatten. Alle Schwachheiten der menschlichen Natur nahm er auf sich. Wieviel litt er durch den Unverstand seiner Jünger und den Widerspruch seiner Feinde und das alles im Umkreis des menschlichen Denkens und Fühlens. Und so sehr ist er völlig Mensch geworden, daß er sogar mit einer gewissen Wehmut von seinem Scheiden spricht; nichts von Heimweh finden wir bei ihm nach der himmlischen Heimat, sondern das volle Bewußtsein, solange er hier auf Erden stand sein Werk führen zu müssen und er spricht vielmehr immer von seinem Tode so, daß es hier so gehen werde, daß der eine säet, der andere erntet. Durch dies alles hat er seinen Gehorsam herrlich bewiesen und wie nun vollends im Leiden! Beim Leiden tritt uns das doppelte entgegen: völlige Freiwilligkeit und doch ihm vom Vater auferlegtes Widerfahrnis. Das Leiden haben ihm seine Feinde angetan, hinter denen der böse Feind stand, der hoffte durch Leiden ihn von Gott loszureißen oder von dem Weg des Gehorsams abzubringen: Bist du Gottes Sohn, so– steig herab vom Kreuz. Aber im höchsten Sinn war es ihm auferlegt von seinem himmlischen Vater. Freiwillig begibt er sich darein. Er hat es zuvor gewußt, er hätte sich ihm leicht entziehen können; aber freiwillig gibt er sich in die Hände seiner Feinde und betont selber: „Niemand nimmt mein Leben von mir, sondern ich lasse es von mir selber. Ich habe es Macht zu lassen und habe es Macht wieder zu nehmen.“ Damit wird sein Leiden und Sterben im höchsten Sinn zum Opfer. Da nimmt er nun das Letzte und Schwerste auf sich, den Tod, den er auch als das empfindet, was er in Wahrheit ist, als Scheidung von Gott, Strafe der Sünde, Erleidung des göttlichen Zornes. Damit wissen wir aber gewiß und wußte er selbst, daß er alles hat hinausgeführt. Noch ehe der Tod selbst über ihn kam, ist er sich bewußt alles vollbracht zu haben, was notwendig war zur Erfüllung der Schrift. Nun war unser Ungehorsam gesühnt; nun war die Strafe erlitten; nun war die Gerechtigkeit wiedergebracht und so ist sein Leiden für uns von dem höchsten, herrlichsten Wert. Das Leiden hat darum diesen unendlichen Wert, weil es die Tat des Menschensohnes ist, der unser Bruder war nach dem Fleisch und doch Gottes Sohn von Ewigkeit, so daß wir zusammenfassen können in dem Satz, daß der Sohn Gottes unter allen Folgen der Sünde vollkommene Heiligkeit und Gerechtigkeit bewahrte, sein heiliges göttliches Leben als Sühne für unsere Sünde freiwillig in den Tod gab, das hat vor Gott einen so unendlichen ewigen Wert, daß es die Sünde der ganzen Welt austilgt und daß dadurch eine ewige Versöhnung gewirkt ist. Und so ist die Erlösung die Frucht des Versöhnungswerkes. Und so dürfen wir von der versöhnenden