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das gesamte Tun und Leiden zu stellen sein. Was die Menschheit hätte leiden und leisten müssen um eine Versöhnung) mit Gott zu wirken, dazu gehörte vor allem dies, alle Folgen der Sünde willig auf sich zu nehmen, und unter denselben vollkommenen Gehorsam und völlige Heiligkeit zu beweisen, zugleich aber diese Folge auch auf sich zu nehmen als Strafe der Sünde. So ist denn Christus für uns eingetreten als unser Vertreter. Nicht so, wie man es manchmal dargestellt finden kann, als ob er nun alle und jede Strafe, die denkbar ist bis zur Höllenstrafe, hätte auf sich nehmen müssen; nicht so, als ob er etwa in allen und jeglichen menschlichen Verhältnissen, die denkbar sind, alle und jegliche Gesetze hätte erfüllen müssen; sondern er vertrat uns eben in seinem Erdenleben durch seinen vollkommenen Gehorsam im Tun und im Leiden. Dieser zwiefache Gehorsam bietet gewiß einen wichtigen und richtigen Gesichtspunkt. Nur darf man nicht nach Art unserer alten Väter allzu äußerlich abschneiden und abteilen. Auch ehe Christus in sein Leiden kam, als er sich betätigte in den menschlichen Verhältnissen, ist ihm Leiden genug auferlegt gewesen und auch als er in sein Leiden eingetreten war, beweist er seinen Gehorsam durch die Tat; auch sein Leiden, auch die große Passion ist im höchsten Sinn eine Tat und die höchste Tat ist seine Hingabe in den Tod. Von diesem Gesichtspunkt aus wollen wir das ganze Tun und Leben des Herrn anschauen. Das Entscheidende ist der freiwillige Gehorsam, der bis zum freiwilligen Opfer des Lebens sich erhebt. Der Sohn stellt sich zum Vater in das Verhältnis des freiwilligen Gehorsams; er, der dem Vater in Ewigkeit gleich war, ist ihm freiwillig gehorsam geworden. In diesem Gehorsam entäußert er sich seiner göttlichen Gestalt, verzichtet auf die Weltstellung, die ihm zustand, verzichtet auf Allmacht und Allwissenheit. Er wird ganz und wirklich ein Mensch und lebt in den menschlichen Verhältnissen. Das wunderbarste dabei ist sein allmähliches Werden vor und nach der Geburt; er unterstellt sich dabei dem Gesetz alles menschlichen Werdens; er bewahrt in allem vollkommene Reinheit und Unschuld und verschmäht auch nicht die menschliche Arbeit und dies alles nicht nur im Sinne des Vorbildes. So hat er auch in der Zeit bis zum 30. Lebensjahr für unsere Versöhnung mit Gott Großes getan, indem er in allen menschlichen Verhältnissen und Vorkommnissen in völligem Gehorsam sich betätigt hat. Durch die Taufe stellt er sich in diesem Gehorsam als der Vertreter der Menschheit ein und empfängt vom Vater das Zeugnis, daß dieser Weg der von Gott gewollte ist. Er besteht auch die Versuchung des Argen, der ihm naht wie ein Engel des Lichts. Er vollbringt in seinem Beruf nur den Wink des himmlischen Vaters; von ihm läßt er sich alles geben, auch die Wunder und Werke, die er tun soll. Und was hat er hier schon