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Leibes und der Seele gerichtet. Ein Zeichen vom Himmel zu tun, dies Ansinnen lehnte der Herr als eine an ihn gebrachte Versuchung ab und er tut seine Wunder möglichst im verborgenen. Er verlangt von denen, die er heilt, immer Glauben, wofür besonders bezeichnend sein Verhalten gegen den Taubstummen ist, welchem er durch Zeichen zu verstehen gibt, daß er auf ihn sein Auge richten soll und wissen soll, woran es ihm fehlt und wovon er geheilt werden soll. Im Zusammenhang damit verbietet auch der Herr von den Wundern zu reden, was man besonders auch in der Seelsorge und in der Tätigkeit der Schwestern betonen darf: nicht soviele Worte machen von den Erfahrungen nach Art der Gemeinschaft, sondern das Erlebte bei sich in der Stille bewahren und den Dank beweisen. Hierin sehen wir lauter Beweisungen der Liebe Gottes, die durch Christus erschienen ist. Das ist wahre heilige Liebe, wie sie uns in Jesu Wort und in Jesu Wundern entgegentritt.

 Dieselbe heilige Liebe tritt uns auch sonst im übrigen Tun des Herrn, in der ganzen Haltung seines Lebens und der Führung seines Amtes entgegen. Wie demütig, weise und liebevoll knüpft er an das Tun seines Vorgängers Johannes an! Mit der gleichen Predigt vom Reich wie Johannes beginnt auch er und läßt auch anfangs nach des Johannes Weise durch seine Jünger taufen. Und doch ist er sich wohl bewußt, daß er mehr ist als Johannes, daß der kleinste im Himmelreich größer ist als Johannes, weil dieser noch dem alten Bunde angehörte. Ebenso weislich, demütig und liebevoll ist sein Anknüpfen an das alte Testament. Er weiß genau, daß er mehr ist als das alte Testament, ein Herr des Sabbaths, und daß mit ihm ein gewaltiges, machtvolles Neues in die Welt eingetreten ist und daß man den neuen Most nicht in die alten Schläuche füllen kann und soll: und doch knüpft er in allem an das alte Testament freundlich und demütig an. Wie liebevoll und weislich war die ganze Führung seines Amtes: erst ein mehr vorbereitendes Tun, anknüpfend an die Tätigkeit des Johannes, soviel wir aus dem 4. Evangelium sehen können, wohl ein ganzes Jahr hindurch, dann aber in der vollen Oeffentlichkeit vor dem Volk, freilich in dem fernen Galiläa, aber so, daß das ganze Land erfüllt wurde von seiner Lehre und seinen Taten. Und dann wieder widmete er sich im letzten Jahr vorherrschend seinen Jüngern um sie und sich selbst auf sein Leiden zu bereiten.

 Es tritt uns weiter die heilige Liebe entgegen in der weisen und liebevollen Leitung der Jünger. Wie seelsorgerlich und freundlich verfährt er schon bei der Berufung. Alle weiß er zu behandeln nach ihrer Besonderheit, jeden, wie es not war. Den Philippus ruft er unmittelbar zu sich, den Nathanael weiß er zur rechten Erkenntnis von Ihm zu führen, daß Er der Messias, der Sohn Gottes ist. Wie eindrucksvoll war dann die Berufung derselben Jünger