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der alle Selbstgerechtigkeit zuschanden machte. Aber wir reden nicht von der Liebe, die Jesum umgab, sondern von der Liebe, die von ihm ausging.

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 Als göttlich erwies sich die Liebe des Herrn dadurch schon, daß sie so ernst und gemessen geblieben ist allezeit, nie schwärmerisch sich gestaltete. Er war seiner Mutter Maria mit Liebe und Dank zugetan. In zarter Liebe sorgte er für sie noch zuletzt und doch hielt er sie auch in ihren Schranken dort in Kana und später, als sie in seiner öffentlichen Tätigkeit etwas Sonderliches für sich beanspruchte. Wie zurückhaltend und gemessen und ernst zeigte sich sein Verhältnis zu Johannes, seinem Vorläufer: Wie in Ehrerbietung redet einer zum andern, er zu Johannes und dieser zu Christo. Auch dem Evangelisten Johannes hat der Herr, obwohl er der Jünger war, den er lieb hatte, den Tadel nicht erspart, als er damals Feuer vom Himmel fallen lassen wollte über den Ort, der ihn nicht aufnahm, da bedeutet er ihm und seinem Bruder: Wisset ihr nicht, wes Geistes Kinder ihr seid? Und wie gemessen und ernst ist sein Verhältnis zu den Frauen, die ihm dienen durften, sodaß unter denselben keine Spur von Eifersucht hervortreten konnte. Also göttlich, nicht menschlich schwärmerisch war seine Liebe, aber gleichwohl zärtlich gegenüber den Kindern, innig zu den Erwachsenen. Jenen Jüngling, der einen so eifrigen Sinn betätigte, der vor ihm hinlief und aus dem Weg niederkniete und ihn fragte: Was soll ich Gutes tun? ihn liebte er, da er ihn ansah; dieser jugendliche Eifer erfreute ihn, ihn erkannte er liebend an. Dem Johannes verstattete er, sich an ihn anzulehnen beim letzten Abendmahl. Wie zart hat er seine Jünger anzureden gewußt: meine Kindlein! Als seine Freunde bezeichnet er sie und schämt sich nicht, sie seine Brüder zu nennen. Und wie hat er seiner Mutter zarte Liebe und Rücksicht bewiesen noch unter dem Kreuz, wo es doch wohl seine Meinung war, daß Johannes sie wegführen solle vom Kreuz, damit sie das Letzte und Schwerste nicht mit anschaue. So hat er, der Herr, Aeußerungen der Liebe kund werden lassen in Wort und Gebärde. Aber nun hauptsächlich in der Tat durch die Wunder. – Zur richtigen Beurteilung der Wunder ist daran zu erinnern, daß dieselben Wirkungen der göttlichen Allmacht sind, die über den Lauf und die Kraft der Natur hinausgehen. Ein Wunder geschieht, wenn Gott nicht wie sonst mittelbar durch die Lenkung menschlichen Tuns, sondern unmittelbar eingreift, nicht durch gewöhnliche Naturkraft, freilich nicht im Gegensatz zur Naturordnung, sondern in gewissem Sinn innerhalb derselben, durch Steigerung oder Zähmung der Naturkräfte; nie hat der Herr magisch, zauberhaft Wunder getan. Der Zweck seiner Wunder ist vor allem zu zeigen, daß er von Gott gesandt sei und wozu er von Gott gesandt ist, nämlich um zu helfen und zu heilen. Kein Gerichtswunder