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erscheint es doch als das Gleiche. Des Besitzes der göttlichen Macht wird sich Jesus nicht entäußert haben, aber auf den Gebrauch hat freiwillig verzichtet. Es ist auch die Frage gestellt worden: Geschah diese Entäußerung vor der Menschwerdung oder nach derselben? Hat der Logos, der Sohn, das ewige Wort vor der Menschwerdung oder nach der Menschwerdung sich der göttlichen Gestalt entäußert? Es wird eben zugleich mit der Menschwerdung zu denken sein. Es ergibt sich aus dieser Lehre – das eine sei noch kurz erwähnt – besonders die Wichtigkeit der Aussagen des Bekenntnisses: empfangen vom hl. Geist, geboren aus Maria der Jungfrau. Wenn er wirklich als ewiger Gott die menschliche Natur annehmen sollte, so ist dies auf wunderbare Weise geschehen, nicht als ob er von Natur ein Glied des Menschengeschlechtes gewesen wäre; er ist durch göttliche Wunderwirkung in die Menschheit eingetreten. Es ergibt sich aus der Lehre von der Person Christi dann auch die Lehre von dem zweifachen Stand, dem Stand der Erniedrigung und der Erhöhung, daß Christus durch die Menschwerdung in den Stand der Erniedrigung eintritt bis zum Tod und Begräbnis, dann aber hat ihn Gott erhöht. Siehe Phil. 2, 9 ff. So bleiben wir denn fest dabei: Es ist die Liebe, durch welche Christus Mensch geworden ist. Was hat den Vater bewogen den Sohn zu senden in die Welt? Was hat den Sohn herabgezogen in dies Elend uns zu gut, als allein seine wunderbare göttliche Liebe? Und wie nun Christus durch die Liebe Gottes auf Erden erschien, so ist durch ihn auch wiederum die Liebe Gottes offenbar geworden. Darauf wollen wir auch noch den Blick richten.


II.

 Liebe hat unsern Herrn umgeben auf Erden: in seiner Kindheit die Liebe seiner Mutter, die liebende Sorgfalt und Fürsorge seines Vaters, die nicht groß genug angeschlagen werden kann. Ebenso auch schon die Liebe der ehrwürdigen Vertreter des Judentums wie der Heidenwelt, der Hirten, des Simeon, der Hanna und der Weisen aus dem fernen Morgenland. In der Jugend umgab ihn weiter die liebende Fürsorge seiner Eltern, späterhin sehen wir auch, wie die Liebe ihm umgab von seiten seiner Jünger, die so rührend für ihn sorgten, ihm das Kissen unterlegten, ihm um Essen zuredeten, ihn abzuhalten suchten, wenn sie meinten, daß er sich überanstrenge und überarbeite, dann auch die sorgsame Liebe der Frauen, die ihm dienten mit ihrer Habe, die für ihn sorgten, die ihn aufnahmen in ihre Häuser wie Maria und Martha. Aber freilich noch vielmehr umgab ihn der Haß der Welt, der Haß, der von selbst erstand und sich mit innerer Notwendigkeit betätigen mußte gegenüber dem Heiligen Gottes, insbesondere gegenüber dem,