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sich liebevoll gegen die Menschheit erwies nach dem Sündenfall, so geschah es um des Sohnes willen, weil er in Christo den Ratschluß der Erlösung gefaßt hatte. Die Güte Gottes, von der wir sprachen, die Gott gegen alle Geschöpfe erwies, durch Christum allein ist sie geschenkt; denn wenn Gott nach der Sintflut zugesagt hat, wie wir hörten, daß er keine Sintflut mehr kommen lassen wolle, so tut er es, weil er in Christo den Erlösungsratschluß gefaßt hat und weil in dem Opfer Noahs das Opfer Christi vorgebildet war, an dem er Gefallen hat und um deswillen sein Wohlgefallen auch auf der sündigen Menschheit dennoch ruhen kann. Die Langmut und Geduld, mit welcher Gott die Sünde trug, geschah darum, weil Gott eine Sühnung der Sünde durch Christum beschlossen hat, die Barmherzigkeit und Gnade, die Gott der Menschheit erzeigte, um Christi willen ist sie geschehen, denn in ihm sollte seine Erbarmung, seine herablassende Gnade, seine verzeihende Liebe und Güte allen Menschen zuteil werden. So ist schon im alten Testament die Liebe Gottes offenbar geworden und in manchen göttlichen Aussprüchen kommt sie zum tröstlichen Ausdruck: „Kann auch ein Weib“ spricht der Herr (Jes. 49): „ihres Kindleins vergessen... siehe in meine Hände habe ich dich gezeichnet“ oder bei Jeremia 31, 20: „Ist nicht Ephraim mein trauter Sohn?“ Auch den Teil des Volkes, der vom rechten Gottesdienst sich getrennt hatte, Ephraim, das Reich Israel, erkennt doch Gott noch als seinen lieben Sohn, als sein trautes Kind und wie ergreifend heißt es bei demselben Propheten: „Ich habe dich je und je geliebt... aus lauter Güte,“ was eigentlich, wie bekannt, heißt „darum habe ich meine Güte lang, d. h. stark gemacht“ – Und so ist denn auch im alten Testament schon die Rede von der Liebe zu Gott. „Bist du doch unser Vater,“ so redet Israel Gott an, „von alters her ist das dein Name“ und aus Davids Mund hören wir im Ps. 18, der bekanntlich zweimal in der Bibel steht: „Herzlich lieb habe dich, Herr, meine Stärke.“ Sodann das Wort des 73. Psalms: „Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde.“ Und doch ist im alten Testament die Liebe Gottes noch nicht völlig und ganz erschienen, es liegt immer noch die Scheidewand dazwischen. Selbst Jesaias, dieser größte unter den Propheten, meint sterben zu müssen, weil sein Auge Gott schauen durfte auf seinem Thron im himmlischen Heiligtum. Erst in Christo ist die Liebe Gottes vollkommen erschienen und darum reden wir zunächst von der Liebe, durch welche Christus erschien.

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 Es ist merkwürdig, welche Zurückhaltung Jesus in seinem Selbstzeugnis vor dem Volk sich auferlegt hat hinsichtlich seiner himmlischen Herkunft. Dem Volk gegenüber spricht er zunächst vom Reich Gottes, das man erwartete, dann erst geht er allmählich auf das Zeugnis von sich und seinem Werk über und schreitet dann