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anderes als das Betonen des eigenen Selbst und ein Sich-Entgegenstellen gegen das, was Gottes und anderer ist. Selbstsucht in Beziehung auf das Empfinden ist Selbstgefälligkeit, Gefallen an sich selber haben. Wie leicht mischt sich dieses Gefallen an uns selber ein in die heiligsten und höchsten Betätigungen. Wenn Gott uns auf irgend einem Gebiet etwas gelingen läßt, wie sehr haben wir da gegen die Erregung der Selbstgefälligkeit zu kämpfen. Wenn der Diakonissenstand gerühmt wird, wenn die Diakonissen mit Engeln verglichen werden in ihrer Bereitwilligkeit andern zu helfen, wie leicht stellt sich da die Selbstgefälligkeit ein. Die Selbstsucht in Beziehung auf den Willen ist Eigensinn, das Bestreben immer das durchführen zu wollen, was das eigene Selbst für gut erkennt, ohne nach dem Andern, nach dem Höchsten zu fragen. Wir können auch sagen: Die Selbstsucht in Beziehung auf die göttliche Wahrheit ist der Unglaube und der Vernunftglaube, das Meistern des Wortes. Selbstsucht in Beziehung auf das göttliche Leben ist die Schwärmerei, das Spielen mit Gefühlen und Empfindungen. Die Selbstsucht in Beziehung auf unsern Gnadenstand ist die Selbstgerechtigkeit, mit der wir alle immer wieder so viel zu kämpfen haben.


II.

 Aber wir gehen einen Schritt weiter und reden von dem traurigen Vorgang, der sich vollzog in der Erregung der Kreaturenliebe. Manche wichtige Schriftwahrheiten empfangen eine gewisse menschliche Bestätigung. So haben wir etwa für die Tatsache, daß die ersten Christen Christum göttlich angebetet und verehrt haben, heidnische Zeugnisse, wie in dem bekannten Brief des Statthalters Plinius an Trajan, in dem auch Diakonissen zum ersten Mal in heidnischem Munde genannt werden, in welchem ausgesagt wird: „sie singen Lieder Christo als einem Gott zu Ehren.“ Die Sintflut wird bestätigt durch manche Beobachtung am Erdinnern, besonders aber durch das Zusammenstimmen der Völkersagen, die fast alle von einer großen Flut etwas wissen. Der Sündenfall wird auch von Alters her bestätigt durch mancherlei Sagen, in denen die Schlange überall eine Rolle spielt. Aber besonders wird der Sündenfall bestätigt durch die innere Wahrheit des Vorgangs, indem wir deutlich sehen: so und nicht anders muß es gewesen sein. Welchen Weg schlug der Versucher ein? Vor allem, er versteckte sich hinter einem Geschöpf, wie er auch jetzt nicht in eigener Person den Christen sich naht, sondern die Welt und das Fleisch benützt, das Böse außer uns und das Böse in uns, die arge Lust und den verkehrten Willen der Menschen zu seinem Werkzeug erwählt. – Er wendet sich an den schwächern Teil, das Weib, und er sucht in ihr vor allem Zweifel an der Güte Gottes