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Gott das zu, warum läßt er dem Teufel heute noch die Macht der Verführung? Es wird darauf geantwortet werden dürfen: darum, weil Gott das Gericht hinausschieben will, zum Beweis seiner göttlichen Geduld und auch um unsertwillen, damit wir noch Zeit und Möglichkeit der Buße hätten. Es wird ferner gesagt werden müssen: Weil nach Gottes weisem Willen auch das Böse in der Welt sich ausleben und schließlich sich selbst gleichsam zunichtemachen sollte. „Lasset beides miteinander wachsen bis zur Ernte“, so hat der Herr von dem Unkrautsamen gesagt, den auch in die Kirche Christi dem bösen Feind auszustreuen gestattet ist. Und weiter noch: Darum läßt Gott die Versuchung des Argen heute noch zu bei Engeln und bei Menschen, die Gott ausgestattet hat mit der Gabe eines freien Willens, die er dazu bestimmt hatte, daß sie aus freiem Willen heraus in der Liebe ihm dienen sollten, weil er den Engeln und den Menschen die Probe des Gehorsams nicht ersparen wollte. So kommt es, daß der Arge auch jetzt noch Macht hat zu versuchen. Wir sehen aus dem, was wir von des Satans Fall gehört haben: Die tiefste Ursache des Falles ist Selbstliebe und Selbstsucht. Wo etwas von Liebe, von wahrer Liebe in einem Menschen wohnt, da ist auch etwas von göttlichem Leben, von Einwirkung des göttlichen Geistes noch vorhanden. Wer Liebe hat, der ist von Gott geboren und kennet Gott. Wo aber die kalte Selbstsucht vorherrscht, wo man nur das eigene Selbst entscheiden lassen will, da gestaltet sich die Sünde schließlich zum satanischen Haß wider alles, was dagegensteht, wider alles, was dem eigenen Ich zu nahe tritt. Diese kalte Selbstsucht mag uns in dem gegenwärtigen Weltkrieg besonders auf Seiten des Volkes entgegentreten, das von unsern Gegnern am höchsten von Gott begnadigt ist, äußerlich und innerlich, leiblich und geistig, bei den Engländern. Sie mischten in kalter Berechnung, das es so ihrem Vorteil am meisten gemäß sei, sich in den Weltkrieg ein, ja sie haben ihn durch ihre Beteiligung geradezu ermöglicht. Das ist überhaupt das Satanische, der Sünde tiefstes Wesen, wenn man Sünde tut um der Sünde willen, das Böse um des Bösen willen. Das zeigt sich besonders darin, daß man Freude daran haben kann, wenn andere mit in die Sünde hereingezogen werden, wenn ein unschuldiges Wesen in die Sünde hineingeführt wird und sich verführen läßt. Das ist das Widerspiel der Liebe; denn Liebe ist Hingabe an andere, Sünde ist Selbstsucht, für sich leben. Positiv ist das Gegenteil der Liebe der Haß, negativ sozusagen die Selbstsucht. Laßt uns aber ja nicht übersehen, daß die Selbstsucht auch sehr feine Formen annehmen kann, besonders bei Christen und wiederum besonders bei denen, die sich in den Dienst des Herrn und seiner Gemeinde stellen. Selbstsucht in Beziehung auf unser Erkennen ist das Eingebildetsein auf eigene Klugheit. Es ist nichts