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Krieg gelitten haben, mehr und mehr zurücktraten von der führenden Stellung im Volksleben, die sie früher eingenommen hatten. Aber freilich, es liegt auf diesem Gebiet auch eine gewisse Schwäche der evangelischen Kirche; denn mit diesen festgefügten Ordnungen auch der Wohltätigkeit und Armenpflege ging es schön und gut, solange die Bevölkerung im ganzen von christlichen Gedanken sich leiten und beeinflussen ließ. Seit aber der Einfluß weltlichen Wesens im öffentlichen Leben überwiegt, sind viele ehrwürdige Stiftungen und ist die Armenpflege schließlich in staatliche und gemeindliche Hände übergegangen. In der Zeit des Pietismus sind dann einzelne größere Anstalten als freie Liebeswerke entstanden; denn es zeigte sich doch, daß die bürgerlich geordneten Wohltätigkeitseinrichtungen nicht in allem zu genügen vermochten. Das herrlichste Beispiel ist das 1698 von August Hermann Franke begründete Waisenhaus in Halle, das weit über den ursprünglichen Zweck hinauswuchs, eine hohe Schule in christlichem Geist, Missionsanstalt, Bibelanstalt und zugleich Rettungsanstalt gewesen und geworden ist. Aber man sieht auch hier zugleich den Mangel, da für diese Liebeswerke für die Folge die rechten Träger gefehlt haben. Entweder überließ man die Oberleitung der weltlichen Obrigkeit, wie es beim Stuttgarter Waisenhaus ergangen ist, oder Träger des Liebeswerkes sollte die Familie des Stifters sein. So hat es August Hermann Franke geordnet, daß in seiner Familie die Leitung sich forterben sollte, was dem Werke zeitweise zu starkem Schaden gediehen ist. Aehnlich ist es auf dem verwandten Gebiete der Heidenmission gegangen, von Halle aus begründet. Halle ist Ausgangspunkt der ersten deutsch-lutherischen Mission geworden; aber der Rationalismus drang ein und hat das Missionswerk einem traurigen Ausgang entgegengeführt. Nun zeigte Gott seiner Christenheit andere Wege, wies auf die richtigen Träger der Liebeswerke hin in freien Vereinigungen lebendiger, eifriger Christen und dazu mußte nach Gottes Regierung der Rationalismus helfen. Weil die weiteren Kreise des Volkes ganz unter der Herrschaft des Rationalismus standen, so taten sich ernste Christen zusammen in der sogenannten Christentumsgesellschaft, durch Urlsberger begründet, die erst in Augsburg, dann in Basel ihren Sitz hatte. In ihr wurde zum ersten mal der Gedanke realisiert, sich in organisierten Vereinigungen zusammenzuschließen um Werke des Reiches Gottes zu treiben. Die Baseler Missionsgesellschaft ist unmittelbar aus der Christentumsgesellschaft herausgewachsen. Nun war der richtige Weg des freien Zusammenschlusses eifriger, ernster Christen auch für die Liebestätigkeit gezeigt. Und zu neuen Unternehmungen wurde man gedrängt, zunächst durch die Folgen der schweren Kriegszeit vor hundert Jahren. Dadurch wurde Johannes Falk veranlaßt das erste Rettungshaus zu errichten,