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höhern Klerus gerechnet und bildeten bald nur eine Vorstufe oder Unterabteilung des Priesteramtes. Der Beruf der Diakonissen trat mehr und mehr zurück und das Aufkommen der Klöster ist doch die wirkende Ursache gewesen. Dorthin zogen sich je länger je mehr die zurück, die ganz dem Heil der Seele leben und ganz dem Werk der Liebe sich widmen wollten. Wir wissen, daß von den Klöstern mancher Segen ausgegangen ist zumal auch für unser Land, denn als unserm Vaterland das Christentum gebracht wurde, ist das Mönchswesen schon völlig ausgebildet gewesen. Die Klöster waren die Missionsstationen und Angehörige von Klöstern oder Einsiedler waren es, die in den Wäldern unseres Vaterlandes ihre Kapellen erbauten, daneben das Kreuz aufrichteten und den Namen des Gekreuzigten verkündigten. Eine klösterliche Persönlichkeit war auch Walburgis, die in unserer engeren Heimat nicht vergessen werden darf. So blieb durchs ganze Mittelalter hindurch der starke Zug nach dem Klosterleben und auch wo man Vereinigungen anderer Art im freien Geiste der Liebe gründen wollte, wurden sie meist zum Klosterwesen hingedrängt. So ist es dem Franz von Assisi ergangen, der anfänglich eine freie Vereinigung solcher wollte, die auf ihr Vermögen verzichteten zu Gunsten der Armen, die nur den Armen leben und ihnen predigen wollten. Der Papst Innozenz III. hat diese Vereinigung gegen den Willen und zum Schmerz des Franz von Assisi zum Orden erhoben und sie damit in den Dienst der Kirche gezwungen. Der gleiche Versuch wurde gemacht mit den Waldensern. Waldez begründete, nachdem er von Christo ergriffen war, jene Vereinigung der Armen von Lyon, der pauperes de Lugduno, die sich verbanden den Armen das Evangelium zu predigen. Da wollte gleich der Papst auch aus dieser Vereinigung einen Mönchsorden machen; aber Waldez war ein anderer Mann als Franz, fest und klar. Er hatte das Verderben der Kirche auch schon so kennen gelernt, daß er sich auf diese Umgestaltung nicht einließ, so daß vielmehr eine reformatorische Vereinigung daraus wurde. Im späteren Mittelalter zeigten sich dann schon etwas freiere Vereinigungen, die gemeinsames Leben und gemeinsame Liebeswerke anstrebten, aber doch nicht eigentlich in das Mönchswesen der römischen Kirche sich einordnen wollten, weiblicherseits die Beguinen, denen die Begarden männlicherseits sich zur Seite stellten. Doch ist auch um jene Zeit schon erkenntlich, wie allmählich das bürgerlich freiere Staatselement auch in der Wohltätigkeit sich geltend machte. Die Hospitäler am Ende des Mittelalters waren meist nicht mehr völlig den Orden einverleibt, sondern höchstens zur Pflege überlassen. In der römischen Kirche ist es im wesentlichen so geblieben, daß die Liebestätigkeit im eigentlichen Sinn in die Hand der klösterlichen Vereinigungen gelegt ist. Wenn auch die barmherzigen Brüder erst im Jahr 1540, also in der Zeit der Reformation und die barmherzigen