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I. von ihrer geschichtlichen Entwicklung,
II. von unsrer Beteiligung an derselben und
III. von der Tüchtigkeit hiefür.


I.

 Als die Kirche Jesu Christi in die Welt eintrat, hat sie sich alsbald als eine Macht der Liebe dargestellt. Als etwas ganz Neues, ganz Erstaunliches, noch nicht dagewesenes stellte sie sich schon darin dar, daß sie in den Gemeinden, erstmals in Antiochia, wo sie auf heidnischem Boden zuerst sich bildete, alles miteinander vereinigte und fest zusammenschloß: Griechen und Juden, Sklaven und Freie. Das erschien den Heiden als etwas Erstaunliches, ja geradezu Verdächtiges, sodaß sie meinten, es müsse irgend eine geheime Bosheit sein, die solch getrennte Elemente zusammenhielt. Wir wissen es freilich anders. Was sie einigte, das war der eine Geist des Glaubens und so konnte in der Apostelgeschichte im 4. Kapitel das schöne Wort ausgesprochen werden: Die Gläubigen waren ein Herz und eine Seele; also sie waren völlig und wahrhaftig in Liebe geeint. Sie waren darum auch in der Anfangszeit in Jerusalem beständig beieinander; aber sie betätigten auch ihre Zusammengehörigkeit und ihr Liebesverhältnis in der Tat; denn niemand sagte von seinen Gütern, daß sie sein wären, sondern sie hatten alles gemein. Wir wissen, daß das keine Gütergemeinschaft war im Sinn etwa des Kommunismus späterer Tage oder der Sozialdemokratie der Gegenwart; denn wir hören das aus Petri Mund bei dem traurigen Vorgang mit Ananias und Sapphira ganz klar: „Ihr hättet euren Acker wohl mögen behalten... Gewalt.“ Es ist bekannt, daß der Engländer Kingsley das schöne Wort gesprochen hat, in dem er den Unterschied dieser sogen. Gütergemeinschaft der ersten Christen und der vom Kommunismus geforderten scharf kennzeichnet: Der Kommunismus sagt: Was dein ist, das soll mein sein; die Liebe sagt: Was mein ist, das soll dein sein. Es war keine Gütergemeinschaft, wohl aber eine großartige Opferwilligkeit und Liebestätigkeit. Auch den Heiden fiel das Liebesverhältnis der ersten Christen untereinander von Anbeginn auf. Es konnte ja nicht auf die Dauer so bleiben; wie es im Anfang war. Wie die ersten Christen am Anfang stets ununterbrochen beisammen waren, so konnte es nicht bleiben, als sie erkannten, daß eine längere Dauer der Kirche in der Welt von Gott gewollt sei. Statt des täglichen Beisammenseins mußte die bestimmte Ordnung eines wöchentliches Tages für den Gottesdienst eintreten und ist eingetreten. Aus der Zeit der Apostel erfahren wir zwar von der Sonntagsfeier nur allein auf heidenchristlichem Boden; im 2. Brief an die Korinther hören wir davon und in der Apostelgeschichte von der Gemeinde in Troas; aber es kann kein Zweifel sein, daß